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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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von Antibes,Ferrante Palla festnehmen lassen soll, den großen Dichter, den ich so bewundere. Er lebt da unter dem Namen Poncet.«
    »An dem Tage, da Sie einen Liberalen hängen lassen, ist Rassi an seinen Posten mit eisernen Ketten geschmiedet. Und das gerade will er vor allen Dingen. Aber dann werden Eure Hoheit keine zweistündigen Spaziergänge mehr machen können. Ich werde weder der Fürstin noch dem Grafen gegenüber von dem Schmerzensschrei sprechen, der Eurer Hoheit eben entschlüpft ist. Da ich aber meiner Verpflichtung gemäß keinerlei Geheimnis vor der Fürstin haben darf, so wäre ich glücklich, wenn Eure Hoheit geruhten, Ihrer Frau Mutter das nämliche wie mir zu sagen.«
    Über diesem Gedanken vergaß der Monarch den Schmerz über seinen schauspielerischen Mißerfolg, der ihn sehr bedrückte.
    »Einverstanden! Gehen Sie und benachrichtigen Sie meine Mutter! Ich begebe mich in ihr Empfangszimmer.«
    Der Fürst verließ den Bühnenraum, ging durch den Saal, der an den Theatersaal angrenzte, und entließ in ungnädigem Ton den Oberhofmarschall und den diensttuenden Flügeladjutanten, die ihm folgten. Die Fürstinwitwe verließ urplötzlich den Theatersaal. Im Empfangszimmer machte die Oberhofmeisterin eine tiefe Verbeugung vor Mutter und Sohn und ließ die beiden allein.
    Man kann sich die Aufregung in der Hofgesellschaft vorstellen. Das sind Dinge, die das Hofleben spaßig machen. Nach Ablauf einer Stunde zeigte sich der Fürst höchstselbst an der Tür des Empfangszimmers und rief die Duchezza. Die Fürstin war in Tränen; ihr Sohn sah ganz entstellt aus.
    ›Das sind schwache Leutchen, die schlechte Laune haben‹, sagte sich die Oberhofmeisterin, ›und sich nach einem Anlaß umsehen, ihren Ärger an jemandem auszulassen.‹
    Zunächst sprachen Mutter und Sohn um die Wette aufdie Duchezza ein, die sich in ihren Antworten wohlweislich hütete, der Unterhaltung vorzeitig eine bestimmte Richtung zu geben. Zwei tödliche Stunden lang fielen die drei Personen dieser langweiligen Szene nicht aus ihren eben angedeuteten Rollen heraus. Der Fürst holte eigenhändig die beiden dicken Aktenmappen, die Rassi auf seinen Schreibtisch gelegt hatte. Als er aus dem Empfangszimmer seiner Mutter trat, sah er, daß der ganze Hof noch wartete.
    »Gehen Sie! Gehen Sie! Lassen Sie mich in Ruhe!« rief er in einem sehr unhöflichen Ton, wie man ihn nie an ihm erlebt hatte. Der Fürst wollte nicht gesehen werden, wie er höchstselbst die beiden Aktenmappen holte; ein Fürst darf nie etwas eigenhändig tragen.
    Die Höflinge verschwanden im Nu. Als der Fürst zurückkam, traf er nur die Diener, die die Kerzen auslöschten. Er schickte sie zornig weg, ebenso den armen Fontana, den diensttuenden Flügeladjutanten, der in seinem Übereifer tölpelhafterweise noch immer da war.
    »Heute abend hat es alle Welt darauf abgesehen, mich nervös zu machen«, sagte er mißlaunig zur Duchezza, als er wieder ins Zimmer trat. Er traute ihr viel Verstand zu und war wütend, daß sie sich offenbar sträubte, ihre Meinung zu bekennen. Sie ihrerseits war fest entschlossen, kein Wort zu sagen, ehe man sie nicht ganz ausdrücklich um ihre Ansicht bitten würde. So verrann abermals eine reichliche halbe Stunde, bis der Fürst im Gefühl seiner Würde sich entschloß, zu ihr zu sagen:
    »Nun, gnädige Frau, Sie sagen ja gar nichts!«
    »Ich bin hier im Dienste Ihrer Hoheit und habe alsbald zu vergessen, was man in meiner Gegenwart spricht.«
    »Also, gnädige Frau,« entgegnete der Fürst und wurde über und über rot, »ich befehle Ihnen, Ihre Meinung zu äußern.«
    »Man bestraft die Verbrechen, um zu verhindern, daß sie sich wiederholen. Ist der hochselige Fürst vergiftet worden? Das ist höchst zweifelhaft. Ist er durch die Jakobinervergiftet worden? Das möchte Rassi wohl am liebsten beweisen, denn dann wird er Eurer Hoheit für alle Zeit ein unentbehrliches Werkzeug. Dann kann sich Eure Hoheit, deren Regierung erst beginnt, auf recht viele solche Abende wie heute gefaßt machen. Allerhöchstdero Untertanen sagen allgemein, und es ist die Wahrheit, Hoheit hätten einen gütigen Charakter. Solange Sie keinen Liberalen an den Galgen bringen, werden Sie sich dieses Rufes erfreuen, und sicherlich wird kein Mensch daran denken, Ihnen Gift zu mischen.«
    »Ihr Gedankengang ist klar«, meinte die Fürstin mißlaunig. »Sie wollen nicht, daß die Mörder meines Mannes bestraft werden!«
    »Offenbar, Hoheit, weil mich zärtliche Freundschaft an

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