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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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dann verschwand sie, ohne sich von der Fürstin zu verabschieden.
    ›Das ist eine schöne Frechheit,‹ sagte sie sich lachend, ›aber die Liebe der untröstlichen Witwe hätte mich fast aufs Schafott gebracht.‹
    Als die Fürstin den Wagen der Duchezza davonrollen hörte, geriet sie in maßlosen Zorn gegen ihre Oberhofmeisterin.
    Trotz der unschicklichen Stunde ließ die Duchezza den Grafen holen. Er war bei dem Essenbrand im Schloß, kam aber bald mit der Nachricht, das Feuer sei gelöscht. »Das Fürstlein hat viel Schneid bewiesen. Unleugbar! Ich habe ihm ein überschwengliches Kompliment gemacht.«
    »Prüfen Sie mal rasch diese Verfügungen! Wir verbrennen sie dann.« Der Graf las und erbleichte.
    »Donnerwetter! Man ist der Wahrheit ziemlich nahe gekommen! Die Geschichte ist höchst geschickt gemacht. Dem Ferrante Palla ist man tüchtig auf den Fersen, und wenn er gesteht, sind wir in der schwierigsten Lage.«
    »Aber er wird nichts gestehen!« rief die Duchezza aus. »Das ist ein Ehrenmann! Verbrennen wir das Zeug!«
    »Noch nicht. Gestatten Sie mir, daß ich mir die Namen der zwölf oder fünfzehn gefährlichsten Zeugen aufschreibe. Wenn Rassi noch einmal anfängt, dann werde ich mir erlauben, sie verschwinden zu lassen.«
    »Ich erinnere Eccellenza daran, daß der Fürst sein Wort gegeben hat, seinem Justizminister von unserer nächtlichen Unternehmung nichts zu sagen.«
    »Aus Ängstlichkeit und aus Furcht vor einem Auftritt wird er es halten.«
    »Lieber Freund, das war eine Nacht, die unsere Heirat beschleunigt. Ich wollte Ihnen als Mitgift keinen Kriminalprozeß in die Ehe bringen, noch dazu wegen einer Sünde, die ich aus Anteilnahme für einen anderen begangen habe.«
    Der Graf war verliebt. Er ergriff ihre Hand mit einem Ausruf; Tränen standen ihm in den Augen.
    »Ehe Sie gehen, geben Sie mir Ratschläge, wie ich mich der Fürstin gegenüber zu benehmen habe. Ich bin todmüde. Ich habe eine Stunde Komödie auf der Bühne gespielt und fünf Stunden im Empfangszimmer.«
    »Sie sind durch Ihr unverschämtes Weggehen reichlich gerächt für etliche scharfe Worte der Fürstin, die nichts waren als Zeichen ihrer Schwäche. Schlagen Sie morgen den nämlichen Ton an wie heute vormittag! Rassi sitzt noch nicht im Gefängnis oder in der Verbannung. Wir haben das Urteil gegen Fabrizzio noch nicht zerrissen.
    Sie haben die Fürstin zu einem Entschluß gedrängt. Derlei versetzt Fürsten und selbst Premierminister immer in schlechte Laune. Und schließlich sind Sie ihre Oberhofmeisterin, das heißt ihre Dienerin. Dank einer Gegenströmung, die bei schwachen Menschen unvermeidlich ist, wird Rassi in drei Tagen mehr in Gnaden stehen als je. Er wird sich alle Mühe geben, irgendwen an den Galgen zu bringen. Seine Stellung ist erst gesichert, sobald er den Fürsten hineingeritten hat.
    Bei dem Brand in dieser Nacht ist ein Mann verletzt worden, ein Schneider, der sich tatsächlich außergewöhnlichunerschrocken benommen hat. Morgen werde ich den Fürsten auffordern, sich auf meinen Arm zu stützen und mit mir dem Schneider einen Besuch abzustatten. Ich werde mich bis an die Zähne bewaffnen und tüchtig achtgeben. Übrigens haßt man den jungen Fürsten durchaus noch nicht. Ich will ihn daran gewöhnen, durch die Straßen spazieren zu gehen, schon um Rassi zu ärgern, der sicherlich einmal mein Nachfolger wird und solche Unvorsichtigkeiten nicht mehr erlauben kann. Auf dem Rückweg führe ich den Fürsten beim Denkmal seines Vaters vorbei. Er wird auf die Spuren der Steinwürfe aufmerksam werden, von denen die römische Toga beschädigt ist, die der einfältige Bildhauer dem Standbild umgehängt hat. So geistesarm ist der Fürst am Ende nicht, daß er nicht selber auf den Gedanken käme: Das kommt dabei heraus, wenn man Jakobiner aufknüpfen läßt. Ich werde entgegnen: ›Man muß entweder zehntausend hängen oder keinen! Die Bartholomäusnacht hat den Protestantismus in Frankreich vernichtet.‹
    Morgen vor unserm Gang, meine liebe Freundin, lassen Sie sich beim Fürsten melden und sagen ihm: ›Ich habe gestern abend bei Ihnen Ministerdienste getan und Ihnen Ratschläge gegeben, aber durch Ihre Befehle bin ich bei der Fürstin wahrscheinlich in Ungnade gefallen. Sie müssen mich entschädigen.‹ Er wird sich auf eine Geldforderung gefaßt machen und die Stirn runzeln. Sie lassen ihn so lange wie möglich in seinem Irrtum, dann sagen Sie: ›Ich bitte Eure Hoheit, allergnädigst zu verfügen, daß Fabrizzio

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