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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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diese Leute kettet.«
    Die Duchezza las dem Fürsten von den Augen ab, daß er glaubte, sie wolle ihm in vollständigem Einvernehmen mit seiner Mutter sein Verhalten vorschreiben. Nun entstand zwischen den beiden Damen eine hastige und ziemlich scharfe Aussprache, die damit schloß, daß die Duchezza feierlich erklärte, sie sage nicht ein Wort mehr. Bei diesem Entschluß verharrte sie, aber der Fürst befahl ihr nach einer langen Auseinandersetzung mit seiner Mutter abermals, ihre Meinung zu äußern.
    »Ich schwöre den Hoheiten, daß ich das nicht tue!«
    »Aber das ist doch wirklich kindisch!« rief der Fürst aus.
    »Ich bitte Sie, zu sprechen, Frau Duchezza!« sagte die Fürstin hoheitsvoll.
    »Und doch bitte ich Eure Hoheit inständig, entbinden Sie mich davon!« Und zum Fürsten gewandt, fuhr sie fort: »Hoheit lesen tadellos Französisch. Um unsere aufgeregten Gemüter zu beruhigen, lesen Sie uns vielleicht eine Fabel von Lafontaine vor?«
    Die Fürstin fand dieses ›uns‹ ziemlich dreist, aber ihr Gesicht nahm plötzlich einen verwunderten und belustigten Ausdruck an, als die Oberhofmeisterin kaltblütig denBücherschrank öffnete und ihm den Band mit Lafontaines Fabeln entnahm. Die Duchezza blätterte eine Weile darin, dann sagte sie zum Fürsten, indem sie ihm das Buch überreichte:
    »Eure Hoheit bitte ich alleruntertänigst, diese Fabel vorzulesen.«
    Der Gärtner und der Gutsherr
    Ein großer Freund der Gärtnerei,
Halb Bürger und halb Bauersmann,
Besaß, wo, ist wohl einerlei,
Ein Häuschen, ländlich schmuck, mit einem Garten dran,
Den eine grüne Hecke rings umschloß.
Dort wuchs Salat gar lustig, und Gemüse sproß,
Und Minchens wegen, für den Sonntagsstrauß, gabs drin
Pfingstrosen, Malven, Tulpen und Jasmin.
Dies holde Glück, ein Hase hats gestört,
Und unser Mann ging, sich beim Herrn des Guts beklagen.
»Der Teufel hol das Vieh!« rief der empört. –
»Es trotzet Stock und Stein und selbst der Vogelscheuch!
Ich glaub, es ist verhext!« – »Verhext? Ach, dummes Zeug!«
Versetzt der Herr. »Und wenns der Satan selber wäre:
Jakob, der Flinke, holt ihn sonder Müh!
Mein lieber Mann, ihr kriegt ihn los, auf Ehre!« –
»Und wann?« – »Kein langes Zaudern! Morgen früh.«
    Wie ausgemacht, kommt er und seine Leute.
»Erst was zu essen!« ruft er. »Gibt es Hühner heute?«
Ein wüst Gelage wird aus diesem Schmaus.
Nun hat man Mut; nun gehts hinaus.
Das Hifthorn gellt; es knattert das Gewehr.
Der gute Mann beschaut voll Schreck den Tanz:
Entzwei der Zaun; kein Fenster ist mehr ganz.
Im Garten gehts noch schlimmer her:
Kein Beet zu finden, keine Blume mehr,
Kein Salat und kein Suppenkraut,
Kein Strunk von allem, was mit Müh erbaut.
    »Ein Herrenscherz!« wehklagt der Gärtnersmann.
Man läßt ihn reden, während Knecht und Hunde
Viel mehr verderben just in einer Stunde,
Als alle Hasen in der Runde
In hundert Jahren je getan.
    Dem Feinde, kleine Herren, bietet selber Trutz!
Ihr wäret Toren, sucht't bei Königen ihr Schutz.
Verwickelt niemals sie in eure Streitereien;
Vor allem laßt sie nie in euer Land hinein!
    Dem Vorlesen dieser Fabel folgte langes Stillschweigen. Der Fürst lief im Zimmer hin und her, nachdem er den Band eigenhändig wieder an seinen Platz gestellt hatte.
    »Nun, gnädige Frau,« sagte die Fürstin, »werden Sie jetzt die Güte haben, zu sprechen?«
    »Nein, sicherlich nicht, Hoheit, solange mich Serenissimus nicht zum Minister ernannt hat. Wenn ich spreche, laufe ich Gefahr, meinen Posten als Oberhofmeisterin zu verlieren.«
    Wiederum eine reichliche Viertelstunde Stillschweigen. Am Ende erinnerte sich die Fürstin der Rolle, die einst Maria von Medici, die Mutter Ludwigs XIII., gespielt hatte. Gerade in den letzten Tagen hatte die Oberhofmeisterin Bazins [Anais Bazin de Raucou (1797-1850). Seine ›Histoire de France sous Louis XIII.‹ ist erst 1837 erschienen, eine Tatsache, die Stendhal natürlich bekannt war.] vortreffliche ›Geschichte Ludwigs XIII.‹ vorlesen lassen. Die Fürstin, wenngleich sehr empört, dachte daran, daß die Duchezza das Land verlassen könne und daß dann Rassi, vor dem sie eine gräßliche Furcht hatte, vielleicht Richelieu nacheifern und ihren Sohn dazu bringen könne, sie zu verbannen. In diesem Augenblick hätte die Fürstin alles in der Welt gegeben, um ihre Oberhofmeisterin zu demütigen, aber sie vermochte es nicht. Sie erhob sich, ergriff mit einem ein wenig übertriebenenLächeln die Duchezza bei der Hand und sagte zu ihr:

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