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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Zukunft von den Umtrieben einer Kammerzofe abhängig. In Amerika anderseits, in der Republik, muß man den ganzen Tag damit vergeuden, sich ernstlich um die Gunst von Ladenkrämern zu bemühen, bis man genau so dumm wird wie sie. Und dann keine Oper!
    Als die Duchezza gegen Abend aufstand, geriet sie in lebhafte Unruhe: Fabrizzio war nirgends aufzufinden. Gegen Mitternacht, während der Theatervorstellung im Schloß, empfing sie endlich einen Brief von ihm. Statt sich als Gefangener im Stadtgefängnis zu stellen, wo der Graf Herr war, hatte er sich wieder in seiner alten Zelle in der Zitadelle eingefunden, überglücklich, wenige Schritte von Clelia entfernt zu wohnen.
    Das war ein Ereignis von ungeheuerer Tragweite. In der Zitadelle war er der Gefahr der Vergiftung mehr denn je ausgesetzt. Diese Torheit brachte die Duchezza zur Verzweiflung. Sie verzieh ihm die Ursache, seine wahnsinnige Liebe zu Clelia, weil es entschieden war, daß sie in wenigen Tagen den reichen Marchese Crescenzi heiratete. Diese Torheit gab Fabrizzio die Allgewalt wieder, die er ehedem auf die Seele der Duchezza ausgeübt hatte. ›Jene verfluchte Order, die ich habe unterschreiben lassen, die ist es, die ihn in den Tod stürzt! Die Männer sind Narren mit ihren Ehrbegriffen! Wie kann man an die Ehre denken in einer absoluten Monarchie, in einem Lande, wo ein Rassi Justizminister ist! Viel besser wäre es gewesen, die Begnadigung anzunehmen; der Fürst hätte sie mir ebenso leicht unterzeichnet wie die Einberufung dieses besonderen Gerichtshofes. Was bedeutet es im Grunde genommen, ob ein hochgeborener Mann wie Fabrizzio mehr oder weniger beschuldigt wird, mit seinem Degen einen Komödianten wie diesen Giletti eigenhändig getötet zu haben!‹
    Sofort nach dem Empfang von Fabrizzios Brief eilte die Duchezza zum Grafen. Sie fand ihn totenbleich.
    »Bei Gott, meine Teure, ich habe mit diesem Jungen eineunglückliche Hand, und Sie werden mir abermals darum zürnen. Ich kann Ihnen beweisen, daß ich den Kerkermeister vom Stadtgefängnis gestern abend verständigt habe. Ihr Neffe wäre alle Tage zum Tee zu Ihnen gekommen. Und was das Allerschlimmste dabei ist: Sie und ich, wir können dem Fürsten unmöglich sagen, wir hätten Angst, daß man Fabrizzio vergiften könne und daß Rassi dieser Giftmischer sein soll. Dieser Verdacht erschiene ihm als der Inbegriff niedrigster Gesinnung. Gleichwohl, wenn Sie es verlangen, bin ich bereit, zum Fürsten zu gehen; der Antwort freilich bin ich sicher. Ich will Ihnen etwas anderes sagen. Ich will Ihnen ein Mittel vorschlagen, das ich für mich nicht anwenden würde. Seit ich in diesem Lande am Ruder bin, habe ich keinen Menschen umgebracht, und Sie wissen, wie töricht ich in dieser Beziehung bin. Bisweilen, wenn die Sonne sinkt, denke ich an jene zwei Spitzel, die ich ohne viel Federlesens in Spanien habe erschießen lassen. – Nun wohl, wollen Sie, daß ich Rassi umbringe? Die Gefahr, die Fabrizzio von ihm droht, ist grenzenlos. Er hat jetzt ein sicheres Mittel in der Hand, mich aus dem Sattel zu heben.«
    Der Vorschlag sagte der Duchezza außerordentlich zu, aber sie nahm ihn nicht an.
    »Ich will nicht,« erwiderte sie dem Grafen, »daß Sie in unserm Zufluchtsort, unter Neapels schönem Himmel, des Abends schwarze Gedanken hegen.«
    »Aber, teure Freundin, es scheint mir, als ob wir nur zwischen diesem oder jenem schwarzen Gedanken zu wählen haben. Was wird aus Ihnen, was aus mir, wenn Fabrizzio von einer Krankheit hingerafft wird?«
    Die Erörterung begann von neuem, und die Duchezza setzte ihr mit folgender Redensart ein Ende: »Rassi verdankt sein Leben der Tatsache, daß ich Sie mehr liebe als Fabrizzio. Nein, ich will unsern gemeinsamen Lebensabend nicht trüben.«
    Die Duchezza eilte nach der Zitadelle. Der General Fabio Conti war selig vor Freude, als er ihr den Wortlaut derFestungsvorschrift entgegenhalten konnte: »Niemand darf das Innere eines Staatsgefängnisses ohne Allerhöchsten Orts unterzeichnete Order betreten.«
    »Aber der Marchese Crescenzi und seine Musikanten kommen doch alle Abende in die Zitadelle!«
    »Weil ich dazu die Allerhöchste Genehmigung eingeholt habe.«
    Die arme Duchezza kannte den ganzen Umfang ihres Unglücks nicht. Der General Fabio Conti hatte sich durch Fabrizzios Flucht in seiner persönlichen Ehre verletzt gefühlt. Als er ihn wieder in die Zitadelle kommen sah, hätte er ihn nicht aufnehmen dürfen, denn dazu hatte er keinen Befehl. Aber er hatte sich

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