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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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gesagt: ›Der Himmel schickt ihn mir wieder, um meine Ehre reinzuwaschen und mich von der Schande zu befreien, die meine soldatische Laufbahn besudelt hat. Ich darf mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Ohne Zweifel wird man ihn freisprechen, und die Tage der Rache sind gezählt!‹

Fünfundzwanzigstes Kapitel
    Die Rückkehr unseres Helden brachte Clelia in Verzweiflung. Das arme Mädchen hatte sich, fromm und aufrichtig gegen sich selbst, wie sie war, der Einsicht nicht verschließen können, daß es für sie fern von Fabrizzio kein Glück gäbe, aber sie hatte der Madonna gelobt, damals, als ihr Vater halb vergiftet worden war, zur Sühne den Marchese Crescenzi zu heiraten. Sie hatte gelobt, Fabrizzio nie wiederzusehen. Längst war sie die Beute gräßlicher Gewissensqualen wegen jenes Geständnisses, zu dem sie sich in dem Brief an Fabrizzio am Tage vor seiner Flucht hatte hinreißen lassen. Wie soll man die Vorgänge in ihrem traurigen Herzen schildern, als sie voller Schwermut dem Treiben ihrer Vögel zuschaute und gewohnheitsmäßig einen zärtlichen Blick nach dem Fenster hinaufsandte, von wo ehedem Fabrizzio zu ihr heruntergesehenhatte, – und plötzlich dort ihn wiedersah, wie er sie mit liebevoller Scheu grüßte?
    Sie glaubte eine Erscheinung zu sehen, mit der sie der Himmel strafen wollte. Bald wurde ihr die grausige Wirklichkeit klar. ›Sie haben ihn wieder ergriffen!‹ sagte sie sich. ›Er ist verloren!‹ Die Äußerungen kamen ihr wieder ins Gedächtnis, die nach seinem Entweichen in der Zitadelle gefallen waren. Die niedrigsten Wärter hielten sich für tödlich beleidigt. Clelia blickte Fabrizzio an, und unwillkürlich spiegelte dieser Blick die ganze Leidenschaft wider, die sie in Verzweiflung setzte.
    ›Glauben Sie,‹ schien sie Fabrizzio zu sagen, ›daß ich in jenem prächtigen Palast, den man für mich herrichtet, das Glück finden werde? Mein Vater hat mir bis zum Überdruß wiederholt, daß Sie so arm seien wie wir. Aber, mein Gott, mit welcher Seligkeit hätte ich Ihre Armut geteilt! Und nun, ach, dürfen wir nie wieder zusammenkommen!‹
    Clelia hatte nicht die Kraft, das Alphabet zu gebrauchen. Während sie zu Fabrizzio hinsah, wurde sie ohnmächtig und sank auf einen Stuhl am Fenster. Ihr Kopf lag auf dem Fensterbrett, und da sie Fabrizzio bis zum letzten Augenblick hatte sehen wollen, blieb ihr Antlitz ihm zugewandt, so daß er es genau betrachten konnte. Als sie nach einer Weile die Augen wieder aufschlug, galt ihr erster Blick ihm: er weinte, aber seine Tränen waren Zeichen höchsten Glückes. Erkannte er doch, daß sein Fernsein ihn nicht in Vergessenheit gebracht hatte. Die beiden Ärmsten blieben eine Zeit lang wie verzaubert, eines in den Anblick des anderen versunken. Fabrizzio wagte, gleichsam als ob er sich zur Gitarre begleite, ein paar Worte aus dem Stegreif zu singen. Sie besagten: ›Nur deinetwegen bin ich zurückgekehrt in den Kerker. Man wird mich vor Gericht stellen.‹
    Diese Worte gaben Clelia ihren ganzen Weibesstolz zurück. Sie stand hastig auf, hielt sich mit lebhaftester Gebärde die Augen zu und suchte ihm verständlich zu machen,daß sie ihn niemals wiedersehen dürfe. Das hatte sie der Madonna gelobt und ihn doch eben in Selbstvergessenheit angeblickt! Als Fabrizzio fortfuhr, seine Liebe in Zeichen anzudeuten, floh sie empört und schwur sich, ihn kein einziges Mal mehr anzuschauen, denn ihr Gelübde an die Madonna lautete wörtlich: ›Meine Augen sollen ihn nie wiedersehen!‹ Das hatte sie auf ein Zettelchen geschrieben und es mit Erlaubnis ihres Onkels am Altar im Augenblick des Meßopfers verbrannt, während er die Messe las.
    Aber trotz allen Schwüren hatte Fabrizzios Anwesenheit in der Torre Farnese Clelia ganz zu ihrer alten Lebensweise zurückgeführt. Sie pflegte alle ihre Tage einsam in ihrem Zimmer zu verbringen. Kaum hatte sie sich von ihrem Schwächeanfall erholt, der sie bei dem unvermuteten Anblick Fabrizzios heimgesucht hatte, so begann sie die Kommandantur zu durcheilen, um sozusagen ihre Beziehungen zu allen ihr freundlich gesinnten Unterbeamten zu erneuern. Ein altes Klatschweib, das in der Küche zu tun hatte, sagte geheimnisvoll zu ihr: »Diesmal kommt Monsignore Fabrizzio nicht wieder aus der Zitadelle!«
    »Er wird den Fehler, die Mauern hinabzuklettern, nicht wieder begehn;« meinte Clelia, »aber er wird zum Tor hinausschreiten, wenn er freigesprochen ist.«
    »Ich sage und kann sagen, Signorina, er wird nur mit den

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