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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Tisch, warf ihn um, packte Fabrizzio am Arm und fragte: »Hast du gegessen?«
    Dieses Du entzückte Fabrizzio. In ihrer Verwirrung vergaß Clelia zum ersten Male die weibliche Zurückhaltung und verhehlte ihre Liebe nicht.
    Fabrizzio hatte die verhängnisvolle Mahlzeit soeben beginnen wollen. Er nahm Clelia in seine Arme und bedeckte sie mit Küssen. ›Dies Essen war vergiftet.‹ dachte er, ›wenn ich ihr sage, daß ich es nicht angerührt habe, tritt die Religion wieder in ihre Rechte, und Clelia entflieht mir. Wenn sie dagegen in mir gleichsam einen Sterbenden sieht, dann setze ich es bei ihr durch, mich nicht zu verlassen. Sie sehnt sich nach einem Mittel, ihre abscheuliche Verlobung aufzuheben; der Zufall gibt es uns in die Hand. Die Aufseher werden sich zusammenrotten, werden die Tür stürmen, und wir geben ein derartiges Ärgernis, daß sich der Marchese Crescenzi darüber entsetzt, und aus ists mit der Heirat!‹
    Im Augenblick des Stillschweigens, der mit dieser Überlegung verging, fühlte Fabrizzio, daß sich Clelia seiner Umarmung bereits zu entziehen suchte.
    »Ich fühle noch gar keine Schmerzen,« sagte er zu ihr, »aber bald werde ich mich zu deinen Füßen winden. Steh mir bei im Sterben!«
    »O mein einziger Freund!« schrie sie auf. »Ich will mit dir sterben!« Wie im Krampf drückte sie ihn an sich.
    Sie war so schön, nur halb bekleidet und im Zustande so grenzenloser Leidenschaft, daß Fabrizzio einer fast unwillkürlichen Bewegung nicht widerstehen konnte. Willenlos gab sie sich ihm hin.
    In der glühenden und hochherzigen Begeisterung, die einer grenzenlosen Wonne folgt, sagte er unbesonnen: »Keine unwürdige Lüge soll die ersten Augenblicke unseres Glückes entweihen. Ohne deinen Mut wäre ich ein toter Mann, oder ich hätte mit den gräßlichsten Qualen zu kämpfen. Aber als du eintratest, wollte ich gerade zuessen beginnen. Ich hatte noch keine von diesen Schüsseln angerührt.«
    Fabrizzio beschwor so grauenhafte Bilder herauf, um Clelias Entrüstung zu bannen, die er bereits aus ihren Augen las. Sie sah ihn eine Weile an. Zwei mächtige, einander feindliche Empfindungen kämpften in ihr; dann warf sie sich in seine Arme. Da erhob sich draußen auf dem Gang starker Lärm; die drei Eisentüren wurden gewaltsam geöffnet und geschlossen, und laute Stimmen ertönten.
    »Ach, wenn ich Waffen hätte!« knirschte Fabrizzio. »Man hat sie mir abgenommen. Zweifellos kommt man, um mich umzubringen! Lebe wohl, meine Clelia! Ich segne meinen Tod, da er mir mein Glück gebracht hat!«
    Clelia umarmte ihn und gab ihm einen kleinen Dolch mit elfenbeinernem Griff, dessen Klinge nicht viel länger war als die eines Federmessers.
    »Laß dich nicht töten!« rief sie ihm zu. »Verteidige dich bis zum letzten Atemzug! Wenn mein Onkel, der Abbate, den Lärm hört, kommt er aus Mut und Tugend und rettet dich! Ich will mit den Leuten reden.«
    Mit diesen Worten stürzte sie auf die Tür zu.
    »Wenn du nicht getötet wirst,« sagte sie schwärmerisch, den Türriegel fassend und den Kopf nach Fabrizzio umwendend, »so verhungere lieber, als daß du das geringste anrührst! Stecke dieses Brot ein und trage es stets bei dir!«
    Der Lärm kam näher. Fabrizzio zog Clelia von der Tür hinweg, öffnete sie ungestüm und stürzte die Stufen der Holztreppe hinab. In der Hand hatte er den kleinen Dolch mit dem Elfenbeingriff, und es fehlte nicht viel, so hätte er damit den General Fontana, den Flügeladjutanten des Fürsten, erstochen, der rasch zurückwich und arg erschrocken ausrief: »Aber Monsignore del Dongo, ich komme, Sie zu retten!«
    Fabrizzio sprang die sechs Stufen wieder hinauf und rief in die Zelle hinein: »Fontana kommt, mich zu retten!« Dann eilte er die Holzstufen wieder hinunter zum Generalund sprach sich ruhig mit ihm aus. Er bat ihn lang und breit, ihm seine Zorneswallung zu verzeihen.
    »Man wollte mich vergiften«, sagte er. »Das Essen da ist vergiftet. Ich war so schlau, es nicht anzurühren, aber ich muß Ihnen gestehen, dieses Verfahren hat mir einen Stoß versetzt. Als ich Sie heraufkommen hörte, glaubte ich, man wolle mir zu guter Letzt mit dem Dolch den Garaus machen. – Herr General, ich ersuche Sie, niemanden in meine Zelle hinein zu lassen. Man könnte das Gift beiseite schaffen, und unser guter Fürst soll alles erfahren.«
    Der General Fontana war ganz blaß und sprachlos. Er erteilte den Oberaufsehern Befehle in dem von Fabrizzio gewünschten Sinne. Sie wurden sehr verlegen,

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