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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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bei der Hinrichtung des Grafen Palanza?« erwiderte Fabrizzio verwundert.
    »Jawohl, mein lieber Freund, trotzdem! Der Vater unseres Erzbischofs war Unterbeamter im Finanzministerium, ein Kleinbürger. Das erklärt alles. Monsignore Landriani ist ein Mann von regem Verstand und gründlichem Wissen, ein ehrlicher Mensch. Er liebt die Tugend. Ich bin überzeugt: käme ein neuer Kaiser Decius auf die Welt, so stürbe er den Märtyrertod wie Polyeukt in der Oper, die man vergangene Woche gegeben hat. Das ist die gute Seite. Jetzt kommt die Kehrseite der Medaille. Sobald er dem Monarchen oder auch nur dem Premierminister gegenübersteht, ist er geblendet von so viel Größe. Er wird verwirrt, er errötet. Es ist ihm tatsächlich unmöglich, nein zu sagen. Daraus erklärt sich seine damalige Handlungsweise, die ihm in ganz Italien den Ruf der Grausamkeit eingebracht hat. Aber eines weiß man nicht: Als ihn die öffentliche Meinung über den Prozeß des Grafen Palanza aufklärte, da legte er sich die Buße auf, dreizehn Wochen von Wasser und Brot zu leben, so viel Wochen, wie der Name Davide Palanza Buchstaben hat. Wir haben hier am Hof einen grenzenlos durchtriebenen Schurken, namens Rassi, den Oberrichter oder Großfiskal, der den Pater Landriani zur Zeit der Hinrichtung des Grafen Palanza im Garn hatte. Währendseiner dreizehnwöchigen Fastenzeit lud ihn der Graf Mosca aus Mitleid und auch ein wenig aus Bosheit und gar zweimal wöchentlich zu Tisch ein. Der gutmütige Erzbischof aß aus Unterwürfigkeit mit wie alle anderen; er hätte es für Rebellion und Jakobinertum gehalten, sich öffentlich anmerken zu lassen, daß er sich für eine vom Landesherrn gutgeheißene Tat eine Buße auferlegt hatte. Aber man wußte, daß er für jede Einladung, bei der ihn seine treue Untertanenpflicht zwang, wie alle anderen zu essen, sich je zwei weitere Bußtage bei Wasser und Brot aufbrummte.
    Monsignore Landriani, ein höherer Geist, ein Gelehrter ersten Ranges, hat nur eine Schwäche: er will verehrt sein. Sei also gerührt, wenn du ihn erblickst, und liebe ihn beim dritten Besuch wirklich. Im Verein mit deiner Abkunft wird dich das alsbald zu seinem Liebling machen. Zeige kein Befremden, wenn er dich bis an die Treppe geleitet; tue, als wärst du dergleichen gewöhnt. Er hat den Geburtsfehler, vor dem Adel zu knieen. Im übrigen sei schlicht, apostolisch, keinesfalls geistreich, glänze nicht, und sei nicht etwa rasch im Antworten. Wenn du ihn kein bißchen schüchtern machst, dann behagst du ihm. Denke daran, daß er dich aus eigenem Antrieb zu seinem Großvikar ernennen muß. Der Graf und ich werden über diese allzu schnelle Beförderung überrascht und sogar ärgerlich tun. Das ist dem Fürsten gegenüber notwendig.«
    Fabrizzio eilte in den erzbischöflichen Palast. Ein sonderbarer Zufall fügte es, daß der etwas schwerhörige Kammerdiener des trefflichen Prälaten den Namen del Dongo überhörte; er meldete einen jungen Priester namens Fabrizzio an. Der Erzbischof hatte gerade einen Pfarrer von wenig musterhafter Führung vor sich, den er sich hatte kommen lassen, um ihm den Standpunkt klar zu machen. Er war eben dabei, ihn abzukanzeln – etwas ihm höchst Peinliches –, und wollte sich seines Schmerzes gründlichst entledigen. Darum mußte derGroßneffe des berühmten Erzbischofs Ascanio del Dongo drei Viertelstunden warten.
    Er begleitete den Pfarrer bis ins letzte Vorzimmer und fragte beim Zurückkommen den Wartenden beiläufig, womit er ihm dienen könne. Wie soll man seine Entschuldigungen und seine Verzweiflung schildern, als er die violetten Strümpfe gewahrte und den Namen Fabrizzio del Dongo vernahm? Unserem Helden kam die Geschichte so spaßig vor, dass er es wagte, obgleich es sein erster Besuch war, in einer Anwandlung von Zärtlichkeit dem würdigen Prälaten die Hand zu küssen. Er mußte es anhören, wie der Erzbischof ganz außer sich immer wieder sagte: »Ein del Dongo muß in meinem Vorzimmer warten!« Gleichsam als Entschuldigung hielt er sich für verpflichtet, ihm die ganze Geschichte mit dem Pfarrer, seine Verstöße, seine Ausreden und so weiter zu erzählen.
    ›Wie ist es nur möglich,‹ fragte sich Fabrizzio auf dem Heimweg zum Palazzo Sanseverina, ›dass dieser Mann die Hinrichtung des armen Grafen Palanza hat beschleunigen können?‹
    »Was denken vostr' Eccellenza?« rief ihm der Graf Mosca lachend entgegen, als er ihn in das Zimmer der Duchezza eintreten sah. (Der Graf hatte es nicht gern,

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