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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Zitadelle!«
    Der Fürst hatte in seinem Schreibtisch einen Vorrat von Briefumschlägen mit den Anschriften seiner meisten Hofschranzen von der Hand des nämlichen Soldaten, der als des Schreibens unkundig galt und nicht einmal seinen Dienstbericht je selber geschrieben hatte. Der Fürst suchte sich den entsprechenden Umschlag heraus.
    Ein paar Stunden später erhielt der Graf Mosca einen Brief durch die Post. Die Stunde, in der er ankommen musste, war ausgerechnet, und im Augenblick, als der Briefträger, den man mit einem kleinen Brief hatte hineingehen sehen, wieder aus dem Ministerium herauskam, wurde Mosca zu Serenissimus befohlen. Nie war der Günstling in tieferem Trübsinn erschienen. Um sich so recht daran zu weiden, rief ihm der Fürst zu, als er seiner ansichtig wurde: »Ich möchte mich in gemütlicher Plauderei mit dem Freund erholen, statt mit dem Minister zu arbeiten. Ich habe heute abend tolle Kopfschmerzen. Außerdem plagen mich trübe Gedanken.«
    Der Premierminister Graf Mosca della Rovere war natürlich in der gräßlichsten Laune, als er seinen hohen Herrn endlich verlassen durfte. Ranuccio Ernesto IV.war in der Kunst, ein Herz zu martern, von vollendeter Geschicklichkeit, und der Vergleich mit dem Tiger, der gern mit seiner Beute spielt, ist hier ohne allzu großes Unrecht am Platze.
    Der Graf ließ sich im Galopp nach Hause fahren, schrie, ohne stehen zu bleiben, seine Leute an, er wäre für kein lebendiges Wesen zu sprechen, ließ dem diensthabenden Auditore sagen, er brauche ihn nicht – einen Menschen in Hörweite zu wissen, war ihm unerträglich –, und schloß sich eiligst in den großen Gemäldesaal ein. Dort konnte er sich endlich ganz seiner Wut hingeben; dort verbrachte er den Abend im Dunkeln, wie ein Besessener ziellos hin und her rennend. Er versuchte, seinem Herzen Ruhe zu gebieten und die ganze Kraft seines Hirns auf die Überlegung seines künftigen Verhaltens zu sammeln. In seiner tiefen Herzensnot, die seine grausamstenFeinde mitleidig gestimmt hätte, sagte er sich: ›Der Mann, den ich tief verabscheue, wohnt im Hause der Duchezza, verbringt jede Minute mit ihr. Soll ich versuchen, eine ihrer Kammerjungfern zum Sprechen zu bringen? Nichts wäre gefährlicher. Sie ist so gütig; sie entlohnt sie so reichlich! Sie wird deshalb vergöttert. Und, grosser Gott, wer sollte sie nicht vergöttern?
    Es fragt sich jetzt,‹ begann er in neuer Wut, ›soll ich mir die Eifersucht, die mich verzehrt, anmerken lassen oder gar nicht davon sprechen? Wenn ich schweige, wird man sich nicht im geringsten verstellen. Ich kenne Gina. Sie ist ein Weib von feuriger Natur; ihr Tun und Denken ist sogar für sie selber unberechenbar. Wenn sie sich eine Rolle vornimmt, bleibt sie darin stecken; im Augenblick der Ausführung kommt ihr immer ein neuer Gedanke, den sie leidenschaftlich aufgreift, als ob es der beste auf der Welt wäre, und so verdirbt sie sich alles.
    Wenn ich kein Wort über mein Martyrium rede, verheimlicht man mir nichts, und ich sehe alles, was vorgehen mag.
    Ja, aber wenn ich spreche, dann schaffe ich eine neue Lage. Ich bringe sie zum Nachdenken. Ich komme einer Menge schrecklicher Dinge zuvor, die sich ereignen könnten. – Vielleicht wird er aus dem Hause geschickt;‹ sagte der Graf aufatmend, ›dann habe ich so gut wie gewonnenes Spiel. Wenn sie auch im Augenblick schlechter Laune wäre, ich werde sie beschwichtigen. Schlechte Laune, – ganz natürlich! Sie liebt ihn seit fünfzehn Jahren wie einen Sohn. Dann aber, als er nach Waterloo ging, ward er ihr entrückt. Als er von Neapel zurückkam, war er, zumal für sie, ein anderer Mensch. Ein anderer Mensch!‹ wiederholte er wütend. ›Und ein reizender Mensch! Vor allem hat er jenes offene und zärtliche Aussehen, jenes Lachen im Auge, das so viel Glück verheißt. Und solche Augen an unserem Hofe zu finden, ist die Duchezza nicht gerade gewöhnt. Hier gibt es statt dessen finstere oder höhnische Blicke. Was für Augenmag ich oftmals machen, unter der Last meiner Geschäfte! Ich, der ich nur durch meinen Einfluss auf einen Mann herrsche, dem es ein Vergnügen wäre, wenn ich mich bloßstellte! Ach, soviel Mühe ich mir auch gebe, es ist doch gerade mein Blick, der alt aussieht! Streift meine Heiterkeit nicht immer an Ironie ? Mehr noch – hier muß ich aufrichtig sein! – lässt meine Heiterkeit nicht die unumschränkte Macht und die – Bosheit durchschimmern? Sage ich mir zuweilen nicht selber, besonders wenn man

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