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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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finde, sondern teile auch seine Ansicht, daß alles, was seit dem Tode Ludwigs XIV. im Jahre 1715 geschehen ist, ebenso verbrecherisch wie töricht ist. Die Hauptsache für den Menschen ist sein Seelenheil. Darüber kann es nicht zweierlei Ansichten geben, und die Seligkeit muß von ewiger Dauer sein. Die Worte Freiheit, Gerechtigkeit, öffentliche Wohlfahrt sind verrucht und sündhaft. Sie gewöhnen die Gemüter nur ans Diskutieren und ans Mißtrauen. Ein Parlament wird dem, was diese Leute ein Ministerium nennen, nie etwas Gutes zutrauen. Wenn dieses verhängnisvolle gewohnheitsmäßige Mißtrauen einmal eingerissen ist, so wendet es die menschliche Schwäche auf alles an. Dann kommt der Mensch so weit, an der Heiligen Schrift, an den Geboten der Kirche, an der Tradition zu zweifeln, und dann ist er verloren! Und selbst wenn das Mißtrauen – was gräßlich, irrig und verbrecherisch zu sagen ist –, wenn das Mißtrauen gegen die Autorität der Fürsten von Gottes Gnaden uns für die zwanzig oder dreißig Jahre hienieden, auf die jeder von uns rechnen kann, Glück brächte, was ist ein halbes, ja ein ganzes Jahrhundert im Vergleich zur ewigen Verdammnis?«
    Man erkennt aus der Art, wie Fabrizzio sprach, daß er bestrebt war, seine Gedanken in eine leicht verständliche Form zu fassen. Es war klar, daß er nichts Einstudiertes herleierte.
    Sehr bald gab es der Fürst auf, sich mit diesem jungen Mann herumzuärgern, dessen schlichte, ernste Grundsätze ihm lästig waren.
    »Leben Sie wohl, Monsignore!« sagte er plötzlich. »Ich sehe, die Schulung auf der theologischen Akademie in Neapel ist vortrefflich, und wenn solche trefflichen Lehren gar in einem hervorragenden Geist aufgehen, so ist es ganz natürlich, daß man glänzende Erfolge erzielt. Leben Sie wohl!«
    Damit drehte er ihm den Rücken.
    ›Diesem Schafskopf habe ich ganz und gar nicht gefallen‹, sagte sich Fabrizzio.
    ›Jetzt bleibt es abzuwarten,‹ erwog der Fürst, sobald er allein war, ›ob dieser schöne junge Mann empfänglich für irgendeine Leidenschaft ist. Dann wäre er vollkommen. – Er ist ein geistreicher Nachbeter der guten Lehren seiner Tante. Ich habe sie richtig reden hören. Wenn es einmal eine Revolution in meinem Lande geben sollte, dann wäre sie diejenige, die den ›Vorwärts‹ herausgibt, wie damals die San Felice in Neapel [Die Marchesa Luisa San Felice wurde im Jahre 1800 auf Befehl des von seinen Kurtisanen beherrschten Königs Ferdinand I. von Neapel als Verschwörerin gehenkt.] . Na, trotz ihren fünfundzwanzig Jahren und ihrer Schönheit hat man die San Felice ein bißchen aufgeknüpft. Ein warnendes Beispiel für überkluge Weiber!‹
    Mit seiner Vermutung, Fabrizzio sei der Schüler seiner Tante, war der Fürst im Irrtum. Geistig begabte Menschen, die auf einem Thron oder in seiner Nähe geboren sind, verlieren häufig das Feingefühl. Um sie herum ist freimütige Unterhaltung verpönt; sie erscheint ihnen grob. Sie wollen nur Masken sehen und maßen sich doch ein Urteil über die Schönheit der Gesichtsfarbe an. Das Drollige dabei ist, daß sie sich viel Feingefühl zutrauen. Im vorliegenden Fall zum Beispiel glaubte Fabrizzio ungefähr alles, was wir ihn haben sprechen hören; allerdings dachte er keine zweimal im Monat an diese erhabenen Grundsätze. Er war ein aufgeschlossener und kluger Mensch, aber er war gläubig.
    Der Freiheitsdrang, die Mode und der Kult der Volksbeglückung, diese Krankheiten des neunzehnten Jahrhunderts, waren in seinen Augen nichts als eine Ketzerei, die wieder verschwinden wird wie alle anderen, aber erst nach der Vernichtung vieler Seelen, so wie einst die Pest da, wo sie wütete, viele Körper hingerafft hat. Und trotz alledem las Fabrizzio die französischen Zeitungen voll Entzücken und beging sogar zuweilen die Unvorsichtigkeit, sich welche zu verschaffen.
    Als Fabrizzio, noch ganz verblüfft vom Empfang imSchloß, zurückkam und seiner Tante von den verschiedenen Fallstricken des Fürsten erzählte, sagte sie zu ihm:
    »Du mußt nun unverzüglich dem Padre Landriani, unserem ehrwürdigen Erzbischof, deinen Besuch machen. Geh zu Fuß hin, steige die Treppen geräuschlos hinauf, mache möglichst wenig Lärm in den Vorzimmern. Wenn man dich warten läßt, um so besser, um so viel tausendmal besser! Mit einem Wort: Benimm dich apostolisch!«
    »Ich verstehe,« meinte Fabrizzio, »der Mann ist ein Tartüff.«
    »Ganz und gar nicht! Er ist die leibhafte Tugend.«
    »Trotz seiner Haltung

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