Die Kartause von Parma
Schrecken durch den Haufen Gold, den er ihnen gab. Sodann blickte er die zitternde Cechina mit scharfen Augen an und richtete die kurzen Worte an sie: »Die Duchezza und der Monsignore – fanno l'amore?«
»Nein,« sagte das junge Mädchen nach einem Augenblicke des Stillschweigens, »nein, noch nicht; aber er küßt der gnädigen Frau oft die Hände, zwar lachend, aber leidenschaftlich.«
Diese Zeugenaussage wurde durch hundert weitere Antworten auf ebenso viele grimmige Fragen des Grafen ergänzt. Seine ruhelose Leidenschaft machte es den armen Leuten nicht leicht, sich das Geld zu verdienen, das er ihnen hingeworfen hatte. Am Ende glaubte er, was sie ihm sagten, und war nicht mehr so unglücklich.
»Wenn die Duchezza je eine Ahnung von diesem Verhör bekommt,« sagte er zu Cechina, »dann schicke ich Eueren Bräutigam auf zwanzig Jahre in die Zitadelle, und Ihr sollt ihn erst in weißen Haaren wiedersehen.«
Während der nächsten Tage verlor Fabrizzio völlig seine Heiterkeit.
»Ich versichere dir,« sagte er zur Duchezza, »der Graf Mosca hat eine Abneigung gegen mich.«
»Um so schlimmer für Seine Exzellenz«, antwortete sie mit einem Anflug von Verdruß.
Das war aber keineswegs die wahre Ursache der Unruhe, die Fabrizzio seines Frohsinns beraubte. ›Die Stellung, in die mich der Zufall setzt, ist nicht haltbar‹, sagte er sich. ›Ich bin überzeugt, sie wird nie etwas sagen; vor einem allzu deutlichen Wort würde sie zurückschaudern wie vor einer Blutschande. Aber wenn sie einmal abends nach einem ausgelassenen, unvorsichtigen Tag ihr Gewissen prüfte und zu der Überzeugung käme, ich müßte ihre Gefühle für mich ahnen, welche Rolle spielte ich dann in ihren Augen? Buchstäblich die des keuschen Josephs! Wie soll ich ihr in schöner Offenherzigkeit begreiflich machen, daß ich ernsthafter Liebe nicht fähig bin? Ich bin nur nicht geistreich genug, dieser Tatsache derart Ausdruck zu geben, daß sie nicht der Dreistigkeit ähnelt wie ein Ei dem anderen. Mir bleibt nur die Ausrede, eine große Leidenschaft in Neapel zu haben. Für diesen Fall muß ich einmal auf einen Tag dahin zurück. Dieser Plan ist schlau, aber recht unbequem. Es ginge auch mit einer kleinen Liebelei in irgendeinem Hinterhause. Nicht gerade mein Geschmack, aber immerhin besser als die abscheuliche Rolle eines Mannes, der nichtverstehen will. Der zweite Plan könnte allerdings meine Zukunft gefährden. Ich müßte die größte Vorsicht aufwenden und mir Verschwiegenheit erkaufen, um die Gefahr zu mindern.‹
Das Grausame bei diesen Erwägungen war, daß Fabrizzio die Duchezza wirklich und weit mehr als sonst jemand auf der Welt liebte. ›Ich muß sehr ungeschickt sein,‹ sagte er sich ärgerlich, ›daß ich solche große Furcht habe, ich könnte etwas so Wahres nicht durchblicken lassen.‹ Da er die Geschicklichkeit, sich aus dieser Schwierigkeit herauszuhelfen, nicht besaß, wurde er düster und kummervoll. ›Großer Gott, was soll aus mir werden, wenn ich mich mit dem einzigen Wesen entzweie, für das ich eine leidenschaftliche Zuneigung hege?‹ Anderseits konnte sich Fabrizzio nicht entschließen, ein so köstliches Glück durch ein zu deutliches Wort zu vernichten. Seine Stellung zur Duchezza war so reizvoll! Die vertraute Freundschaft mit einer so liebenswürdigen und so hübschen Frau war so süß! Auch in viel Geringerem brachte ihm ihre Gunst und Gnade Annehmlichkeiten an diesem Hofe; die großen Ränke, die sie ihm aufdeckte, belustigten ihn wie eine Komödie. ›Mein Gott, diese so fröhlichen, so zärtlichen Abende im traulichen Zwiegespräch mit einer so reizenden Frau: was wird das Ende vom Liede sein?‹ fragte er sich. ›Sie wird einen Liebhaber in mir sehen. Sie wird von mir Leidenschaft, Torheit verlangen, und ich hätte ihr nie etwas zu bieten als die regste Freundschaft, aber keine Liebe. Die Natur hat mir diese Art erhabener Narrheit versagt. Was für Vorwürfe habe ich deshalb nicht schon einstecken müssen! Noch höre ich die Duchezza von Albarocca, und wie habe ich mich da lustig gemacht! Gina wird meinen, ich liebte sie nicht, und doch vermag ich überhaupt nicht zu lieben. Nie wird sie mich verstehen wollen. Wenn sie mir ein Hofgeschichtchen erzählt mit ihrer Anmut und Ausgelassenheit, die sonst niemand auf der Welt besitzt, wie oft küsse ich ihr da die Hände und zuweilen dieWange! Was soll ich tun, wenn ihre Hand meinen Druck in einer gewissen Weise erwidert?‹
Fabrizzio ließ sich
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