Die Karte der Welt (German Edition)
Frühlingssonne auf sie herab. Eine angenehme Art zu reisen, aber nichts im Vergleich zu der Fahrt auf einer von Flussmenschen gelenkten Barke. Bald würden sie in Zornfleck sein. Ein Tagesmarsch vielleicht noch, wenn ihr Glück sie nicht im Stich ließ.
Fretter litt immer noch darunter, dass die Karte ihm während der Nacht entwendet worden war. Sein Stolz war zutiefst verletzt. Es war seine Aufgabe gewesen, sie zu bewachen, und er hatte versagt.
Eine Weile ging Wex neben Pinch, der ununterbrochen redete, bis Wex ihm mit einer unvermittelten Frage ins Wort fiel.
»Warum habt ihr das Essen genommen?«
Pinch blickte ihn verständnislos an. »Essen?«
»Aus dem Turm. Wenn ihr zurückkommen wolltet, was ich mittlerweile tatsächlich glaube, warum habt ihr dann Proviant mitgenommen?«
»Ist diese Sache also immer noch nicht beigelegt?«
»Nein, ist sie nicht. Ich habe mein gutes Wort für euch eingelegt. Meine Ehre riskiert.«
Pinch seufzte. »Moral mag ein guter Ratgeber sein, aber was die Entscheidungen eines Mannes am Ende bestimmt, ist die Realität.«
»Was soll dieser Unsinn nun wieder bedeuten?«
»Es bedeutet, dass es ganz so aussah, als ob ihr sterben würdet. Trotz der Hilfe, die wir euch geschickt haben. Der Proviant hätte euch dann nichts mehr genutzt, uns aber schon. Er erhöhte unsere Chancen durchzukommen.«
»Aber ihr habt falschgelegen. Wir haben überlebt.« Wex war keineswegs undankbar. Er wusste, sie hatten es nur geschafft, weil Pinch und Mungo den Düsterlingen die wilden Rinder auf den Leib gehetzt hatten, bevor sie sich endgültig aus dem Staub machten. Aber auch wenn es nur ein halber Verrat gewesen war, wollte er doch eine Erklärung.
»Ist ein Mann denn im Unrecht, wenn er beim Spielen auf die Zahl setzt, die bei drei von vier Würfen oben liegt? Und eure Chancen standen noch weit schlechter als vier zu drei, glaub mir. Alle Vorzeichen sagten: Ihr sterbt, und ich nehme den Proviant.« Verärgert trat Pinch einen Stein den Hang hinunter. »Und jetzt habe ich viel mehr gesagt, als du wissen musst. Behalt diese Geschichte schön für dich, ja? Richte dich danach, wenn es dir nutzt, aber behalt sie für dich.«
Wex nickte, aber eher aus dem Grund, weil er die Unterhaltung satthatte, und nicht weil er Pinch zustimmte. Etwas war falsch an der Logik des Diebs, aber er konnte es nicht genau festmachen. Er fühlte sich ganz ähnlich wie nach seinen verbalen Auseinandersetzungen mit Brynn, obwohl er bei ihr nie das Gefühl gehabt hatte, hereingelegt worden zu sein.
Brynn hatte noch kein einziges Wort zu der vergangenen Nacht gesagt. Nicht einmal angesehen hatte sie Wex seitdem. Stattdessen unterhielt sie sich mit Spragg, was Wex gehörig verwirrte. Aber es war auch egal. Er hatte herausgefunden, dass Adara mit Bello lediglich befreundet war, und außerdem war er ihr Cousin ersten Grades. Noch lieber hätte Wex es gesehen, wenn Bello ihr Bruder gewesen wäre, aber Cousin war auch nicht schlecht. Nicht einmal ein Flussmädchen würde den Sohn seines Onkels heiraten. Durch diese guten Neuigkeiten bestärkt, machte Wex sich auf die Suche nach Adara, um sie in ein Gespräch zu verwickeln.
Adara ging am Ende der Gruppe und blickte über die Schulter. Sie hatte zu den Kindern zurückkehren wollen, aber die Düsterlingarmee, die jetzt genau zwischen ihnen und dem Turm war, machte das unmöglich. Es führte kein Weg zurück. Vielleicht später, im Herbst oder im nächsten Sommer. Möglicherweise auch nie. Adara würde mit nach Zornfleck kommen müssen, und dort würde Wex ihr anbieten, fürs Erste bei ihm und seinem Vater zu wohnen. Bello konnte bei seiner Tante Eunstice unterkommen, die glücklicherweise über eine Wegstunde entfernt lebte. Wenn Adara Gefallen an der Schweinezucht fand, umso besser. Sie konnte auf dem Hof helfen und bleiben. Wex ließ sich zurückfallen und reihte sich neben Adara ein.
»Als Nächstes kommen wir in mein Dorf«, verkündete er.
»Und danach?«
»Nirgendwohin«, sagte Wex. »Ich lebe dort.«
»Wie lange?«
»Mein ganzes Leben.«
»Für immer? An einem Ort?«
Wex zögerte. Adara klang nicht begeistert. »Ich kann mein ganzes Leben lang dort bleiben, aber ich muss nicht«, sagte er schließlich.
»Gibt es einen Fluss in deinem Dorf?«
»Es gibt Bäche. Kleiner als der Walther, aber mit viel Wasser. Mehr als genug.«
»Also groß genug für Boote?«, vergewisserte sich Adara.
»Nein«, gab Wex kleinlaut zu. »Aber es leben Fische darin.«
»Das ist gut«,
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