Die Karte der Welt (German Edition)
erklärte: Männer von dort, einer Stadt zwischen den raunenden Hügeln an der Ostgrenze von Abrogan, ließen ihre Frauen aus Prinzip nicht an den Herd. Für sie war Kochen ebenso Männersache wie die Jagd, was zum Resultat hatte, dass Essen aus dieser Region stets stark gesalzen und ansonsten absolut langweilig war.
»Du meinst, ich soll da rübergehen?«
»Hätte dich wohl kaum gefragt, wenn nich. Und halt mich nich für jemand, der jedes Mal gleich seine Meinung ändert, wenn man nachfragt.« Immer wenn Poppy sprach, schwang er seinen gelochten Löffel wie eine Keule, und Wex fragte sich, ob er ihn ab und zu auch als Waffe einsetzte. Wahrscheinlich konnte der bullige Koch damit jedem, der sich über sein Essen beschwerte, ziemlich hässliche Beulen beibringen. Also ging er vorsichtig um den Koch herum und schleppte den Eimer zu der Feuerstelle zwischen den Bäumen.
Als Wex sich dem Feuer näherte, sah er vier Schatten darum herum sitzen. Er ging langsamer und schaute genauer hin. Der erste gehörte dem größten Mann, den er je gesehen hatte, oder zumindest erweckte seine Silhouette im Vergleich zu den anderen diesen Eindruck. Er hatte einen Brustkorb wie eine Eiche, Arme wie deren kräftige Äste und überragte seinen Nebenmann schon im Sitzen um mehr als einen Kopf. Wex kam zu dem Schluss, dass es der flackernde Schattenriss war, der den Kerl so groß aussehen ließ. Die zweite Gestalt wirkte deutlich schmaler, aber weder dünn noch schwächlich. Die dritte hingegen machte einen durchaus muskulösen Eindruck und trug einen Helm mit eigenartigen Hörnern auf dem Kopf, und das obwohl die Gruppe gerade gemütlich am Feuer saß. Die vierte wiederum sah aus wie ein Kind, obwohl Wex sich beim besten Willen nicht erklären konnte, was ein Kind auf dieser Expedition zu suchen hatte.
Links von sich hörte er ein paar Blätter rascheln und drehte den Kopf, sah aber nichts. Als er wieder zum Feuer schaute, konnte er keine Schatten mehr erkennen – die vier waren verschwunden. Wex blieb stehen. Er hatte weder gesehen noch gehört, wie sie sich bewegt hatten, und trotzdem waren sie weg.
»Hallo …?«, rief er.
»Hallo, Kleiner.« Die Worte kamen von so nah, dass der Lufthauch Wex’ Ohr kitzelte. »Lass mich raten. Sie haben dich geschickt, um die Hunde zu füttern, wie?«
»So haben sie euch nicht genannt«, erwiderte Wex und klammerte sich an dem Eimer mit dem schlabbrigen Essensbrei fest. Er wagte nicht, sich umzudrehen.
»Nein? Wie haben sie uns denn dann genannt?«
»Schlimmer.«
Die Stimme lachte, und Wex riskiert einen Blick. Es war der Schlanke. Das dunkle Gesicht starrte ihn aus nicht mehr als einer Handbreit Entfernung an. Wex fragte sich, wie der Mann ihm so schnell so nahe kommen konnte, ohne dabei irgendein Geräusch zu machen. Er war vielleicht dreißig Jahre alt und hatte ein freundliches Gesicht, trotz der vielen frischen wie alten Narben darauf.
»Du bist eine ehrliche Haut, wie?«, meinte der Mann lachend und klopfte Wex wohlwollend auf die Hüfte. Er schien nicht aus Abrogan zu sein und hatte einen eigenartigen Akzent. Vor allem Wörter mit einem H schienen ihm Schwierigkeiten zu bereiten.
Ein lautes Stampfen in seinem Rücken veranlasste Wex, sich umzudrehen. Der Erste aus der Gruppe ragte vor ihm auf. Der Schattenwurf der Flammen hatte seine Größe tatsächlich verzerrt: Der Mann war sogar noch größer, als die Silhouette ihn hatte erscheinen lassen. Außerdem war Wex entsetzt darüber, wie rasch die beiden ihn in die Zange genommen hatten, während der Schlanke ihn abgelenkt hatte. Der Riese bewegte sich erstaunlich schnell für jemanden, der so viel Gewicht mit sich herumschleppte.
»Mein Name wäre übrigens Sebastian Laurent Pinchot«, sprach er weiter.
»Du bist Pinch«, erwiderte Wex. »Der Dieb.«
»Aber nein! Wie unfair! Gerade erst Bekanntschaft gemacht, und schon haben wir ein Missvertrauens-Problem. So lernt man sich nicht kennen. Und da wir gerade dabei sind, hier hätten wir Mungo.« Er machte eine Verbeugung in Richtung des Riesen.
Wex runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass ich jemand mit einem so albernen Spitznamen ansprechen sollte. Wie heißt er wirklich?«
»Soweit ich weiß, ist das sein Name.«
Der Riese brummte ein paar kehlige, unverständliche Brocken, und Wex zuckte zusammen. Die Geräusche hatten wie Worte geklungen, aber wenn sie das waren, hatte Wex den Dialekt noch nie zuvor gehört. Er hatte rein gar nichts verstanden.
»Was hat er gesagt? Will
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