Die Karte der Welt (German Edition)
neue Moden und Erfindungen aneigneten.
Es ist, als hätten sie Jahrhunderte abgeschieden hinter diesem Berg verbracht .
Der Bericht des Dido war sehr genau. Er ging sogar auf die Auswirkungen ein, die der Schleier auf ihre Handelswege hatte. Er hatte sie von den Käufern und Zulieferern flussabwärts abgeschnitten, aber der Dido war ein optimistischer Mann und schwor, dass sie letztendlich von dieser Veränderung profitieren würden. Er beendete seine Ansprache mit einem stürmischen Lied über ihre ruhmreiche Gottheit Strom, in das jeder mit einfiel, auch Mungo und Pinch und sogar ein paar von Fretters betrunkenen Soldaten, auch wenn sie die Sprache gar nicht kannten. Es schien ihnen nichts auszumachen, und den Flussmenschen auch nicht. Arm in Arm mit Bello standen Mungo und Pinch da, trällerten frei erfundene Silben und trafen die Töne dabei überraschend gut.
Der Dido schien solche Reden regelmäßig zu halten, um sein Volk über die gegenwärtige Lage zu informieren, und er sprach genauso gewandt wie jeder Herzog oder Graf in Abrogan. Auch das Fest schienen sie regelmäßig abzuhalten. Offenbar verlegten sie etwa alle fünfzehn Tage ihr Lager und begingen den Anlass jedes Mal mit einer ausgelassenen Feier.
Wex’ Begleiter hatten mehr in Erfahrung gebracht, als er zunächst mitbekommen hatte. Kraven und Brynn hatten einen halben Tag lang für den Dido und Fretter übersetzt, und der Dido hatte viel von dem, was er erfahren hatte, in seine Rede mit einfließen lassen, während Pinch wiederum die Flussmenschen mit seinen Abenteuergeschichten unterhalten hatte. Dieser Informationsaustausch hatte die beiden Gruppen einander nähergebracht, und der Met hatte den Rest erledigt.
Als das Lied des Dido zu Ende war, setzte eine plötzliche Stille ein. Alle warteten. Wex sah Brynn fragend an, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Auch sie wusste nicht, was als Nächstes kommen würde, genauso wenig wie die anderen Mitglieder der Gruppe, die sich ebenso verwirrt fragten, was sie erwartete. Alle blickten den Dido an, doch der schien seine Aufgabe als erfüllt zu betrachten und trat vom Bug des Kahns herunter. Auch die Flussmenschen harrten in angespannter Erwartung aus, aber eher beschwingt denn verwirrt, als würden sie sich auf das freuen, was jetzt kam.
Plötzlich schoss wie von einem Katapult abgeschossen eine Gestalt aus dem Wasser und landete mit katzenhafter Eleganz auf dem Feuerkahn. Wex duckte sich instinktiv, doch dann sah er, dass es sich bei der Gestalt um eine junge Frau handelte. Sie hatte dunkelbraune Augen, langes schwarzes Haar, und sie trug nicht mehr als drei dünne Stofffetzen, die ihre üppigen Brüste und sinnlich geschwungenen Hüften so eng umschmiegten, als wären sie aufgemalt.
Tropfnass stand sie da und wartete, bis ihr Atem sich wieder etwas beruhigt hatte, während die Menge sich am Anblick ihres geschmeidigen Körpers ergötzte. Sie dehnte den Moment beinahe unerträglich aus, wartete, bis die stumme Anspannung unter den Zuschauern mit Händen zu greifen war, und gerade, als der Erste vielleicht gewagt hätte, ein Räuspern von sich zu geben, begann sie zu tanzen.
Ihre Bewegungen waren fließend, nur ein sanftes Wiegen. Wasser tropfte glitzernd aus ihrem Haar und umspielte wie ein Fluss, der durch Täler hindurch- und um Hügel herumfließt, die Konturen ihres straffen Körpers.
Die Zuschauer begannen, im Rhythmus der Bewegungen auf die Rümpfe ihrer Boote zu schlagen. Kleine Wellen breiteten sich über das ruhige Wasser des Flusses aus und überkreuzten sich wie Spinnweben.
Dann begann sie sich zu winden, bewegte ihren Körper wie das strudelnde Wasser der Stromschnellen, und ihre Arme zuckten in die Höhe wie die prasselnden Flammen hinter ihr. Alles an ihrem Körper war jetzt in Bewegung außer den Füßen. Wasser spritzte von ihren Händen und den Hüften. Aus ihrem Haar ergossen sich im Rhythmus der zweihundert trommelnden Hände funkelnde Kaskaden, die wie an Perlenschnüren aufgereiht zischend ins Feuer spritzten.
Wex schnappte nach Luft. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte. Noch nie hatte er ein Mädchen in seinem Alter so viel von ihrem Körper zeigen sehen. Der Anblick war für ihn noch weit verstörender als nackte Füße. Und noch nie hatte er ein Mädchen gesehen, das sich so grazil und kraftvoll zugleich bewegen konnte, auf so geheimnisvolle Weise anmutig.
Im Kanu neben ihm saß Blu stockgerade, den schielenden Blick starr auf die dunklen
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