Die Karte Des Himmels
hervorhob. Etwas ganz Besonderes stellte das erlesene ovale Mittelstück dar, das wie ein riesiger Heiligenschein über unseren Köpfen in den Verputz eingelassen war. Ein oder zwei Wochen warteten wir, bis die Dekoration getrocknet und der Geruch nach frischer Farbe verzogen war. Dann nahmen wir uns der wichtigen Aufgabe an, die Einrichtung von Vaters Studierzimmer in ihr neues Zuhause zu transportieren.
Er gestattete niemandem, uns dabei behilflich zu sein, die Kisten Bücher und Papiere zu packen, und nachdem sie in die Bibliothek getragen worden waren, war nur mir das Auspacken erlaubt. Ich durfte auch Vorschläge zur Ordnung machen, allerdings nicht ordnen. Schließlich trug Mr. Corbett zusammen mit Sam und Matt und dem Kutscher Jan den schweren Schreibtisch und die Stühle herein, den Globus und den Orrery, und alles war vollständig. An jenem ersten Abend fand ich meinen Vater schon vertieft in seine Karten, während ein lustiges Feuer im Kamin prasselte und er das Abendessen wie üblich auf dem Tablett vergessen hatte. »Gute Nacht«, rief ich ihm zu, aber er gab nicht zu erkennen, dass er mich gehört hatte. Ich lächelte still in mich hinein und schloss leise die Tür.
»Die Deckenbemalung wird gar nicht erwähnt«, sagte Chantal. »Ich frage mich, wann sie angebracht worden ist.«
»Vielleicht wird Esther es uns zu gegebener Zeit erzählen.« Jude fuhr den Laptop wieder herunter und dachte daran, dass sie sich noch vor ein paar Augenblicken vorgestellt hatte, mit Esthers Geist eins zu werden und den Raum zu betrachten, wie er einmal war, und ihr gleichzeitig mitzuteilen, wie er heute aussah. Es war eine merkwürdige Erfahrung gewesen, die sie sich nicht erklären konnte. Vielleicht war sie für ein paar Minuten eingeschlafen und hatte nur geträumt.
Es gab noch so viel Unbeantwortetes in Bezug auf Esther – vermutlich kannte Jude noch nicht einmal alle Fragen. Und doch fügten sich die unterschiedlichen Informationsschnipsel allmählich zusammen wie Teile eines riesigen, komplizierten Puzzles, von dem sie kein Gesamtbild vor Augen hatte, das sie leiten konnte. Einzelne Bereiche rückten langsam in den Vordergrund.
Jude schaute auf die Uhr. Nach halb zwölf. Plötzlich schoss ihr das Bild durch den Kopf, wie Euan in Jeans und Sportjacke mit einer Flasche Rotwein in der Hand bei Claire eintraf. Wenn sie sich vorstellte, wie er sie auf beide Wangen küsste ...
»Chantal«, sagte sie rasch, »haben Sie zum Mittagessen irgendwas geplant?« Da sowohl Judes als auch Chantals Familie heute ohne die beiden geplant hatten, warum sollten sie sich nicht auch ein besonderes Vergnügen gönnen?
»Eigentlich nicht«, erwiderte Chantal. »Ich dachte, wir könnten uns ein paar Reste aufwärmen.«
»Wenn das so ist«, sagte Jude, »dann möchte ich Sie gern zum Mittagessen einladen. Mir ist irgendwie danach. Kennen Sie irgendein Lokal, das sich über eine Last-Minute-Reservierung freuen würde?«
»The Green Man« , sagte Chantal prompt mit strahlenden Augen. »Ja, gehen wir aus zum Essen.«
In dem Pub, den Chantal vorgeschlagen hatte, gab es noch einen allerletzten Platz für sie. Das hübsche alte Gebäude aus Holz, das noch nicht den Modernisierungen in der Gegend zum Opfer gefallen war, lag nur ein paar Meilen entfernt, sodass Jude nicht weit fahren musste. Ihr Tisch befand sich im Garten unter einem großen Baldachin. Sie bestellten beide den guten altmodischen Sonntagsbraten und eine Flasche tiefroten Burgunder. »Die Rechnung geht auf mich«, beharrte Jude. »Es ist so nett von Ihnen allen, dass ich so lange in Starbrough Hall wohnen darf.«
»Wir freuen uns so, dass Sie bei uns sind!«, rief Chantal. »Alexia erzählt ständig, was für ein pflegeleichter Gast Sie sind. Und außerdem ist es auch sinnvoll, so hart, wie Sie an dem Verkauf arbeiten. Sie gönnen sich ja kaum mal ein bisschen Urlaub.«
»Oh, Claire und Summer sehe ich sehr oft«, erwiderte Jude, »aber trotzdem muss ich noch mit Alexia und Robert sprechen. Ich habe das Gefühl, dass ich mir eine andere Unterkunft suchen muss. Es ist anstrengend, ständig einen Gast im Haus zu haben.«
»Natürlich können Sie mit den beiden reden. Aber Sie werden feststellen, dass Alexia und Robert der gleichen Meinung sind wie ich. Sie brauchen uns nicht zu verlassen, Jude.«
Jude lachte. »Also, das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen allen.« Ihre Bestellung wurde gebracht, und sie machten sich mit Appetit über ihr Essen her.
Nach ein paar Minuten
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