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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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Göttin Hera über den Himmel ergoss. Oder mein Vater las mir aus dem neuesten Buch über die Berechnung der Temperatur der Sonne vor. Die Büchertürme um uns herum wuchsen immer weiter, und manchmal empfand ich ihn wie einen Alchimisten vergangener Zeiten, mit all den Werkzeugen seiner Kunst, die wie Strandgut auf den Papierstapeln und Karten verstreut herumlagen.
    Es war streng verboten, irgendetwas zu berühren oder fortzuräumen. Betsy durfte die Mahlzeiten hereinbringen – das war alles. Sie durfte nicht reinemachen. Mir allein wurde manchmal das Vertrauen zuteil, ein wenig abstauben zu dürfen, jedoch nur, wenn ich alles genau an die Stelle zurückräumte, an der es sich zuvor befand, hatte er geknurrt, andernfalls wäre es unrettbar verloren.
    »Sie brauchen mehr Regale, Vater«, seufzte ich eines Tages, als er mich bat, ein bestimmtes Buch über Optik herauszusuchen, und ich mehr als zwanzig Bücher rücken musste, bis ich es fand.
    Er blickte um sich, blinzelte wie eine Eule, die benommen in das Tageslicht schaut, so als ob er das Zimmer noch nie zuvor gründlich betrachtet hätte. Es handelte sich um eine dunkle Kammer an der Rückseite des Hauses, die zu den Stallungen zeigte. Er habe sie gewählt, als er noch ein Junge gewesen sei, hatte er mir einmal erzählt, weil niemand sonst eine Verwendung dafür hatte. »Was meinen Sie, Vater, sollen wir einen größeren Raum aussuchen, um eine Bibliothek einzurichten?«, schlug ich aufgeregt vor und erntete einen finsteren Blick.
    »Wo sollte das sein?«, erwiderte er nur. Da er nicht über die nötige Vorstellungskraft verfügte, zerbrach ich mir den Kopf darüber.
    Später am Tag durchstreifte ich das Haus und dachte immer noch darüber nach, welcher Raum für meine Idee geeignet sein könnte. Ich betrat ein Zimmer, welches ich kaum je zuvor aufgesucht hatte. Es lag auf der Rückseite von Starbrough Hall, mit Aussicht auf den Park. Meiner Meinung nach diente das Zimmer keinem Zweck, außer dass es einen eleganten Kamin beherbergte, einen großen hölzernen Kasten – leer – und ein Podest, auf dem eine Büste des Sokrates stand. In mancher Hinsicht war es überhaupt kein Zimmer, sondern vielmehr ein ansehnliches Vorzimmer, in welchem bestimmte Besucher, etwa der Stallmeister mit einer Botschaft, warten sollten, bis der Master zu erscheinen geruhte. Dass dieser Raum nicht genutzt wurde, hatte, wie ich sah, einen Grund: An einer Seite war die Wand ein wenig gebogen, ob aus irgendwelchen praktischen Gründen oder eines baulichen Fehlers wegen konnte ich nicht sagen.
    Gleichwohl gefiel mir der Marmorboden mit seinem ovalen Muster. Ich trat ans Fenster, und mein Herz hob sich, als ich in der Ferne den Wald erblickte. Da die Sonne tief stand und der Himmel wolkenlos war, konnte ich den Turm über den Baumwipfeln herausragen sehen. Ich wandte mich um, ließ den Blick noch einmal durch den Raum schweifen und sah plötzlich vor meinem geistigen Auge, wie es werden könnte. Hier würde unsere Bibliothek entstehen, und um die Schwierigkeiten mit der gebogenen Wand auszuräumen, würden wir sie oval anlegen. Vater musste sofort unterrichtet werden.
    Das Geräusch eines Wagens auf dem Vorplatz fuhr in Judes Versunkenheit wie ein Messer, das ein Bild aufschlitzt. Sie war tief in die Vergangenheit des achtzehnten Jahrhunderts eingetaucht, zusammen mit Esther, und hatte den Raum so gesehen, wie er vor seiner Einrichtung als Bibliothek gewesen war. Und umgekehrt hatte sie die Vision des Mädchens von dem Raum, wie er heute war, geteilt. Was für eine seltsame Vorstellung, dachte sie, während sie hörte, wie Chantal die Hunde begrüßte.
    Kurz darauf wurde die Tür zur Bibliothek geöffnet. »Jude«, rief Chantal, »ich dachte mir schon, dass ich Sie hier finde. Sie arbeiten wirklich hart, meine Liebe. Geht es Ihnen gut? Störe ich Sie?«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte Jude freundlich. Obwohl sie die Unterbrechung bedauerte, wollte sie Chantal unbedingt von den Neuigkeiten in Esthers Bericht erzählen. »Sie sind sogar genau im richtigen Moment gekommen.« Jude wies auf Esthers Blätter. »Sie beschreibt gerade, wie die Bibliothek entstanden ist. Es scheint, als wäre die ganze Sache ihre Idee gewesen.«
    Chantal kam näher und setzte sich neben Jude, die vorlas, was sie bereits transkribiert hatte, und dann durch den nächsten Absatz in Esthers Bericht stolperte, um mehr über die Einrichtung dieses außergewöhnlichen Raumes zu erfahren.
    Es brauchte kaum

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