Die Karte Des Himmels
hatte sich beworben, und das letzte Gespräch sollte in der kommenden Woche stattfinden.
»Du kannst Euan also nicht bewegen, nach London zu ziehen?«, fragte Jon. Seine Augen funkelten amüsiert.
»Wir würden bestimmt damit klarkommen«, sagte Euan, »aber es wäre großartig für Jude, wenn sie diese Stelle bekäme.«
»Es wäre ein Schritt vorwärts. Mehr Verantwortung«, erklärte Jude ihrer Schwester.
In den letzten Monaten war es immer schwieriger geworden, bei »Beecham’s« zu arbeiten. Die Starbrough-Auktion war ein voller Erfolg gewesen, wenn auch nicht in dem Maße, das ihr Vorgesetzter Klaus der Geschäftsführung angekündigt hatte. Aber die Rezession machte sich deutlich bemerkbar, und in anderen Abteilungen war es schon zu Entlassungen gekommen. Darüber hinaus hatte Klaus den jüngsten Spekulationen einen Riegel vorgeschoben und angekündigt, dass er sich nicht, wie eigentlich geplant, in absehbarer Zukunft zurückziehen würde. Die Stelle, um die Jude sich beworben hatte, bedeutete also eine echte Chance für sie. Es war merkwürdig, wie sich alles immer weiter so entwickelt hatte, dass Jude schließlich ihr kleines Haus in Greenwich verkaufen und mit Euan ein neues Leben beginnen wollte. Wenn es mit diesem neuen Job nicht klappte, dann mit einem anderen, da war sie sich seltsamerweise sicher. Und irgendwann in ihrem Leben, dachte sie, würde sie sich nur noch dem Forschen und Schreiben widmen, und das war etwas, was sie auf dem Land mit Gewissheit tun konnte.
Im Ausstellungsraum wurde es langsam voll. Jude winkte Inigo zu, der lebhaft mit einem von Madingsfields Protegés sprach, einer ernst dreinblickenden jungen Frau, die, wie sie wusste, intensiv an einer Geschichte der Madingsfields arbeitete und Inigos Geschmack für eine bestimmte Kleidung zu teilen schien. Plötzlich schoss Jude der boshafte Gedanke durch den Kopf, dass die Kleidung der beiden – ihr Kostüm und sein Anzug, die sich sehr ähnlich waren – zusammen in der Reinigung landen würden.
»Worüber lächelst du?«, sagte Euan.
»Oh, über gar nichts. Ich dachte nur gerade, was das hier für eine schöne Veranstaltung ist.«
»Jude, Euan, kommen Sie her und lassen Sie uns etwas trinken«, sagte Lord Madingsfield und winkte ihnen zu wie ein Verkehrspolizist. »Was halten Sie von der ganzen Sache hier?«
»Wirklich fantastisch«, gab Jude zurück. »Es ist ein gutes Gefühl, dass Esther endlich den Platz in der Geschichte einnimmt, der ihr gebührt.«
»Und dass wir, wie sich herausgestellt hat, alle zu einer Familie gehören«, sagte er und lächelte sein fuchsartiges Lächeln.
»Oh, die Bennetts sind nur ein unbedeutender Zweig«, erwiderte Jude hastig. So unbedeutend, dass sie sich niemals anmaßen würde, mit dem großen Lord M. und seinen aristokratischen Manieren etwas gemeinsam zu haben. »Da ist nur eine Sache, die uns Kopfzerbrechen bereitet«, fuhr sie fort, »und das ist die Frage, wie es mit Esthers kleiner Schwester weiterging. Es ist ein Jammer, dass es in dieser Geschichte so wenig Beweise gibt.«
»Dann haben Sie die Vitrine mit der astrologischen Karte noch gar nicht gesehen?«
»Nein. Die hatte ich Cecelia vor einiger Zeit geliehen. Wo ist sie denn?«
»Da drüben.« Er führte sie zu einer Vitrine fast ganz am Ende der Ausstellung, und dort lag es, das kleine Pergament, über das Claire und sie sich vor einiger Zeit gebeugt hatten.
»Cecelia hat die Karte einem Experten vorgelegt, und der sagte, sie sei im Herbst 1763 angefertigt worden. Das ist zwar kein wichtiges Datum für Amelie beziehungsweise Esther, weil sie im Sommer 1762 geboren wurde. Aber für ihre kleine Schwester Geneviève, die im Jahr danach zur Welt kam.«
»Aber wie ist die Karte in das Versteck im Turm gelangt?«
»Das können wir natürlich nicht sagen.«
Jude drehte sich um und rief nach Claire, die mit Summer zu ihr kam.
»Claire, sieh mal. Lord Madingsfield sagt, dass die Karte, die ich gefunden habe, Esthers kleiner Schwester gehört haben muss.«
»Sie ist restauriert worden«, sagte Claire und starrte auf das Dokument.
»Darf ich auch mal sehen? Ich will das sehen!«
Summer stellte sich auf Zehenspitzen. Ihr Atem hauchte auf das Vitrinenglas. »Oh, das Papier gehört Rowan«, verkündete sie Sekunden später. »Sie hat es mal im Turm versteckt.«
Die Erwachsenen starrten sich sprachlos an. Wieder einmal hatte das kleine Mädchen ihnen die Schau gestohlen.
Und hoch über ihren Köpfen lächelte Lucille durch den
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