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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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der Himmelssphären. Miss Greengage erklärte die Bedeutung der Namen der anderen himmlischen Sphären, die zusammen mit der Erde ihren vorgezeichneten Bahnen um die Sonne folgten, und wie Gott der Schöpfer uns alle in einer vollkommenen Mechanik hielt, was ihm zu Ruhm gereichte. In gewissen Nächten, so erklärte sie weiter, sollten wir uns diese Mitreisenden doch einmal ansehen, denn manche unter ihnen wären am Himmel als leuchtende Sterne zu erkennen. Sie brachte eine Zeichnung dieses ausgefeilten Musters auf die Schiefertafel, aber so viele verwirrte Blicke waren auf sie gerichtet, dass sie von dem erhöhten Podest trat, auf welchem ihr Tisch stand, und nach ihrem Umhang griff. Es ist ein schöner Tag, verkündete sie, wir wollen hinausgehen und uns unsere eigene Planetenmaschine bauen.
    Natürlich herrschte große Aufregung wegen des ungewöhnlichen Ereignisses, als wir aus dem Saal strömten und über den Friedhof auf den Rasen, wo Miss Greengage uns zu einem Modell des Planetensystems arrangierte.
    Ich kann mich erinnern, dass George Benson die Sonne war. Das war eine treffliche Wahl, denn er war groß und rundlich und fröhlich und konnte lange Zeit herumstehen, ohne sich zu rühren. Matt, der jüngere Sohn des Gärtners, war ein natürlicher Merkur, klein und ruhelos. »Esther, möchtest du gern Venus sein, die Göttin der Schönheit und der zweite Planet nach der Sonne?«, fragte mich Miss Greengage, und stolz nahm ich im Orrery meinen Platz ein zwischen Matt und den Töchtern des Admirals, die sich an den Händen fassten und Erde und Mond darstellten. Hugh war für den gewaltigen Mars vorgesehen, den Gott des Krieges, und andere Kinder, deren Namen ich vergessen habe, nahmen die Plätze des Jupiter und des beringten Saturn ein. Die übrig gebliebenen Kleinen spielten die Sterne oder Kometen, und in dieser Aufstellung begannen wir nach Miss Greengages aufgeregt erteilten Anweisungen, uns in einem würdevollen Tanz in Bewegung zu setzen, obwohl Mond und Erde zusammenzustoßen drohten, was die Schwestern zu Heiterkeitsausbrüchen hinriss.
    »Überaus bezaubernd«, sagte Miss Greengage, die in ihrer Aufregung beinahe hübsch war und die Hände unter ihrem spitzen Kinn zusammenpresste, und wir schritten unsere Umlaufbahn ab, bis uns schwindlig wurde und die Pfarrersfrau die Glocke läutete.
    »Wenn ihr heute Abend den Himmel betrachtet«, erklärte unsere Lehrerin, »dann müsstet ihr Mars und Venus sehen, den Lord und die Lady der Nacht, welche wie Lampen tief am Horizont hängen. Schaut es euch an, Kinder. Arbeitet ihren Stand heraus, wie ich euch gezeigt habe, ausgehend von dort, wo die Sonne im Westen untergeht.«
    Noch am selben Abend machte ich mich begeistert an die Aufgabe und sah zwei helle Sterne über dem höchsten Punkt des Hügels, genau, wie sie es angekündigt hatte. Das war der Augenblick, in dem meine Liebe zur Sterndeutung erwacht ist. Und der Wunsch, den Turm meines Vaters zu sehen, wurde stärker.
    Das Geräusch eines Wagens in der Auffahrt unterbrach Jude in ihrer Lektüre. Sie sah auf die Uhr und stellte erstaunt fest, dass eine ganze Stunde vergangen war, seit Chantal das Haus verlassen hatte. Kurz darauf kam diese mit einer Rolle unter dem Arm in die Bibliothek.
    »Es geht mir viel besser«, antwortete sie auf Judes Frage. »Der Zahnarzt hat eine provisorische Füllung gemacht. Inzwischen ist mir wieder eingefallen, wo ich den Familienstammbaum hingelegt hatte«, sagte sie und breitete die Rolle auf dem Tisch aus, damit Jude sie sich anschauen konnte. »Hier, Anthony ist Ende 1778 gestorben. Ein Kind wird nicht erwähnt.« Ihr Blick fiel auf die Seiten, die Jude gelesen hatte. »Was haben Sie denn da?«
    Jude zeigte ihr die Blätter, die sie im Schrank gefunden hatte. Chantal staunte. »Davon hatte ich nicht die geringste Ahnung«, sagte sie und musterte den Fund eingehend. »Was sagten Sie, wo waren sie versteckt?«
    »Hier hinten.« Jude zeigte ihr das Loch in der Holzwand hinten im Schrank. Chantal hatte ein wenig Mühe, sich hinzuknien und mit der Hand hineinzutasten.
    »Und dahin sind Sie tatsächlich mit der Hand gelangt?«, fragte sie. »Das habe ich nie versucht. Vermutlich hat hier zu manchen Zeiten ein solches Durcheinander geherrscht, dass die Blätter einfach durchgerutscht sind.«
    »Aber warum sind sie aus dem Buch herausgerissen worden?«, überlegte Jude.
    »Keine Ahnung. Aber das muss schon vor langer Zeit passiert sein. Sonst hätte ich es bemerkt.«
    »Immerhin haben

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