Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
Vom Netzwerk:
musste. Also bat er seinen Bruder, die Kinder nach seinem Tod an sich zu nehmen und sich um sie zu sorgen, als wären sie seine eigenen. Dann starb er, und die Kinder wurden Waisen. Aber tief im Herzen war der Onkel ein böser Mann. Er hatte im Sinn, dass die Kinder sterben sollten, denn dann konnte er das Vermögen ihres Vaters an sich bringen. Er hatte zwei Schurken gedungen, die die Kleinen tief in den Wald führen und töten sollten. Aber in einem der beiden Schurken schlummerte noch der Rest eines Gewissens, und er brachte es nicht übers Herz, diese unschuldigen Kindlein zu töten. Er stritt mit dem anderen Mann und brachte ihn anstelle der Kinder um. Dann rannte er mit dem Geld davon, mit dem der Onkel ihn und seinen Kumpan bezahlt hatte, und ward nie wieder gesehen. Die armen Kindlein aber waren verloren und verlassen. Sie wanderten durch die schreckliche Dunkelheit, bis sie, schwach vor Hunger und Kälte, ohnmächtig unter einem Baum zu Boden sanken und Gevatter Tod sie dort, in der schwärzesten Finsternis der Nacht, sanft zu sich nahm. Es war zu spät, als die Tiere und die Vögel des Waldes ihr Mitleid für sie entdeckten und mit Laub zudeckten. Die Menschen im Dorf fragten sich, wo die Kinder waren, schickten nach ihnen aus und ließen sie suchen. Und als sie gefunden wurden, sahen sie nicht aus wie tot, sondern nur, als ob sie schliefen.«
    »Wie schrecklich«, sagte Summer, nahm das Buch und betrachtete das Bild mit den Kindern, die zu schlafen schienen, in Wirklichkeit aber tot waren. »Die Geschichte mag ich überhaupt nicht.«
    »Lasst uns einen Tee trinken«, schlug Gran fröhlich vor. Als Claire in die Küche ging, um das Wasser aufzusetzen, wandte sie sich an Jude. »Tamsin hat mir gezeigt, dass der Wald nichts Furchterregendes hat. Ihre Familie war vom Wald abhängig, sie brauchte ihn für ihren Lebensunterhalt, verstehst du.«
    Sie lehnte sich zurück, und in ihrem Blick lag jener abwesende Ausdruck, so als könnte sie die Vergangenheit sehen, die an ihren Augen vorbeizog.
    »Bist du ihnen jemals begegnet, Gran? Ihrer Familie, meine ich.«
    »Oh, ja, viele Male. Sie hatten ihr Lager an der Foxhole Lane aufgeschlagen, nicht weit von dort entfernt, wo wir wohnten.«
    »Ich weiß. Das ist in der Nähe des Starbrough Folly.«
    »Das stimmt, Liebes. Im Lager standen drei, manchmal auch vier Wagen. Eine Mutter von Tamsin gab es nicht, ich denke, sie war gestorben. Tamsin wohnte in einem Wagen mit ihrer Großmutter Nadya und mit ihrer Urgroßmutter – ihren Namen habe ich vergessen – zusammen. Sie hat nicht viel Englisch gesprochen, und sie sah aus, wie man sich eine echte Zigeunerin vorstellt, mit großen goldenen Ohrringen, einem sehr faltigen dunkelbraunen Gesicht, und sie hat Tonpfeife geraucht, genau wie die Männer.«
    Summer starrte Jessie eindringlich an. »Hatte sie auch so ein komisches Kopftuch um?«, fragte sie.
    »Ja, das hatte sie, Schätzchen«, sagte ihre Urgroßmutter amüsiert. »Genau wie Tamsins Großmutter Nadya. Aber damals trugen alle ein Kopftuch oder einen Schal oder einen Hut, wenn sie ausgingen. Man fühlte sich sonst nicht vollständig angezogen.«
    Summer nickte und blätterte weiter die Seiten ihres neuen Buches um. Jude wollte das Mädchen fragen, ob es in der Schule schon etwas von Zigeunern gehört hatte, aber Jessie erzählte weiter. »Sie haben mich nicht in den Wagen eingeladen – ich spürte, dass es ein ganz besonderer Ort für sie war –, aber Nadya war sehr freundlich zu mir. Wenn ich nach der Schule zum Zigeunerlager gegangen bin, hat sie mir immer eine Tasse Tee mit viel zu viel Zucker angeboten und ein Stück mächtigen Kuchen. Die Urgroßmutter hat Körbe geflochten, und ich habe gern bei ihr gesessen und ihr zugesehen. Sie war sehr schnell und geschickt mit ihren Händen. So wie meine Mutter, wenn sie Spitze klöppelte. Einmal im Frühjahr erschien Nadya vor der Tür zu unserem Cottage. Sie bot Körbe an, die mit Primeln bepflanzt waren. Aus Freundlichkeit hat meine Ma einen genommen und mit dem Geld bezahlt, das sie mit ihrer Spitze verdient hat. Nachdem die Blüten verblüht waren, hat Ma die Primeln in den Garten gepflanzt, und ich durfte den Korb behalten.«
    »Ich denke mal, dass sie im Wald Feuerholz gesammelt haben«, sagte Jude zu Summer, als ihr wieder einfiel, wie Gran auf das Thema gekommen war, »und kleine Tiere gejagt.«
    »Ja, das stimmt, Schätzchen, Kaninchen und sogar Igel. Und natürlich wussten sie alles über Pflanzen, welche Pilze

Weitere Kostenlose Bücher