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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jetzt aufbrechen und stramm ausschreiten, erreichen wir bis zum Abend die nächste Stadt. Ich schlafe lieber in einem Bett oder notfalls auf einem Strohsack als auf der kahlen Erde. Außerdem sind wir noch nicht außer Gefahr. Die Dörfler aus der Umgebung werden sich heute Nacht den Rest unserer Habe holen und dabei vielleicht weniger Rücksicht auf uns nehmen als die Räuber.« Girolamo Casamonte winkte müde ab und machte Anstalten, sich neben den Edelmann an den Wegesrand zu setzen. Doch als sich die meisten Reisenden Vincenzo anschlossen und Giulia und das Dienerpaar mitgingen, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, sprang er auf, eilte noch einmal zu seiner Kiste und kramte darin herum. Dabei drehte er den anderen den Rücken zu, so dass man nicht sehen konnte, was er da tat. Schließlich griff er missmutig nach seinem Bündel und schlurfte hinter den anderen her.

II .
    W egen des Überfalls brauchten sie zwei Tage länger, um Rom zu erreichen. Obwohl die Reisenden ihre Wertsachen verloren hatten, dankten sie der Muttergottes und allen Heiligen inbrünstig für ihre Rettung. Vor allem Lucretia Gonfale war überglücklich, mit ihren drei Töchtern unbeschadet davongekommen zu sein. Schließlich hätten sich die Heiratsaussichten der Mädchen nach einer Schändung durch die Räuber in nichts aufgelöst, und es wäre ihnen nichts anderes übrig geblieben, als ins Kloster einzutreten oder eine mehr als beleidigende Mesalliance einzugehen.
    Daher zeigte Lucretia Gonfale sich Giulia gegenüber dankbar und lud sie und ihre Begleiter zu sich ein. Sie bewohnte keinen eigenen Palazzo, sondern logierte in einem großen Haus, in dem es noch mehrere andere Parteien gab. Giulia war jedoch froh um die drei Zimmerchen, die sie ihnen zur Verfügung stellen konnte. Auf diese Weise würde die kleine Summe, die sie von dem Räuberhauptmann erhalten hatte, länger reichen. Beppo und Assumpta unterstützten Lucretia Gonfales Personal, während Vincenzo schon am nächsten Tag losging, um den Komponisten Galilei aufzusuchen.
    Er hoffte, dass sein Freund noch in Rom weilte und nicht anderswo eine Stellung angenommen hatte. Zwar besaßen weder er noch Giulio derzeit das Geld, um bei ihm Stunden nehmen zu können. Vincenzo war sich jedoch sicher, dass Giulio mit Hilfe seiner neuen Bekannten und seines Freundes schon in den nächsten Tagen neue Engagements erhalten würde.
    Giulias erster Auftritt brachte ihr jedoch kein Honorar ein, denn Lucretia Gonfale bat sie, auf dem Empfang zu singen, den sie anlässlich der Ankunft ihrer Töchter gab. Damit ließ die Dame die römische Gesellschaft wissen, dass die Mädchen auf dem Heiratsmarkt angeboten wurden. Die drei waren entsprechend nervös und benahmen sich Giulias Ansicht nach mehr als töricht. Da sie als rettender Engel der Familie galt, genoss sie das zweifelhafte Privileg, von den Mädchen in ihre Geheimnisse eingeweiht zu werden. Sie musste sich die Vor- und Nachteile aller möglichen Heiratskandidaten anhören und war danach heilfroh, keine Tochter aus reichem Hause zu sein. Ihrer Meinung nach hatten Giovanna, Graziella und Griselda Gonfale nichts als Kleider und Männer im Kopf.
    Obwohl sie hier in einem eher bescheidenen Rahmen auftrat, war Giulia nervöser als sonst, als sie am Nachmittag den Saal betrat, in dem das Fest stattfand. Wenn sie hier weitere Engagements gewinnen wollte, musste sie den Geschmack des verwöhnten römischen Kleinadels treffen. Wie sie es gewohnt war, richtete sie ihre ersten Blicke nicht auf die Menschen, die hier versammelt waren, sondern auf die Einrichtung und den Schmuck der Wände und Decken.
    Obwohl die Gonfales nur zu einer Sippe kleiner Landadliger gehörten, waren sie durchaus wohlhabend und bemühten sich, es den großen Familien gleichzutun. Wegen der Menge der zu erwartenden Gäste war der Saal nur karg möbliert, doch die Stühle, die für die hochrangigsten Gäste bereit standen, waren aus bestem Kirschholz gefertigt und ihre Sitzkissen mit Brokat überzogen. Die Wände waren überreich mit Malereien geschmückt, die nach einer gemeinsamen Vorgabe von mehreren, allerdings eher mittelmäßigen Künstlern geschaffen worden waren. Die Bilder rühmten die Familie der Gonfales, als gehörte diese zu den hohen Adelssippen am Hofe des Papstes, und wirkten viel zu theatralisch.
    Giulia ließ sich von einem Diener ein Glas Wein reichen und befeuchtete ihre Zunge, bevor sie auf ihre Gastgeberin zutrat und sich verbeugte. Sie selbst trug ein

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