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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gewand aus roter und weißer Seide gekleidet, und sein von der goldenen Mitra bedecktes Haupt beugte sich wie unter einer schweren Last. Seine düstere Miene verhieß nichts Gutes für die drei Ketzer. Pius  IV . hob nur kurz die rotbehandschuhte Rechte und schlug damit das Kreuz. Was er dabei murmelte, verstanden nur die ihm zunächst Stehenden.
    Der Dominikaner schien die Geste jedoch zu kennen, denn er winkte den Henker heran. Der Mann trug eine lederne Maske, die sein Gesicht verbarg, und eng anliegende, rote Hosen. Sein muskulöser Oberkörper war nackt. In der Hand hielt er einen dünnen Strick, den er auf ein Zeichen des Mönches um den Hals des bekehrten Ketzers schlang und mit einem scharfen Ruck zuzog. Der Mann öffnete den Mund zum Schrei, der jedoch unterblieb, zuckte noch einmal mit den Gliedern und sank dann haltlos nieder.
    Während der Henker den Erdrosselten mit Hilfe seiner Knechte zum Holzstoß schleppte und dort an einem Pfahl festband, hoffte Giulia, dass auch die beiden anderen Ketzer bereuen würden, um wenigstens einen schnellen Tod zu erleiden. Deren Gesichter waren von Angst und Entsetzen gezeichnet. Als jedoch der Mönch auf sie zutrat und sie zur Bekehrung aufforderte, antworteten sie mit einem ketzerischen Gebet und dem Flehen zu Gott, ihre Seelen zu sich zu nehmen.
    Der Dominikaner fasste sein Kreuz mit der rechten Hand und gab den Henkersknechten ein Zeichen. Diese packten den männlichen Ketzer und schleiften ihn auf den Holzstoß. Während sie ihn festbanden und dabei nicht gerade zimperlich mit ihm umgingen, betete der Mann unbeirrt weiter. Danach war die Frau an der Reihe. Bevor die Henkersknechte sie jedoch packen konnten, stieg sie vom Wagen und ging unbeirrt auf den Scheiterhaufen zu.
    Die Leute um Giulia spotteten darüber. Sie selbst spürte einen Ring aus Eis, der sich immer enger um ihre Kehle legte und sie zu ersticken drohte. Es war ihr, als wolle die Angst ihre Stimme auslöschen, deren Macht ihr Leben bis zum bitteren Ende bestimmte. Giulia wusste, dass sie nie so unbeirrt auf den Scheiterhaufen würde steigen können wie diese Ketzerin. Bang fragte sie sich, welche Macht die beiden Menschen so standhaft sein ließ, dass sie eher den grausamsten aller Tode erduldeten, als ihr Haupt vor dem Nachfolger Petri zu beugen.
    Mittlerweile war die Dämmerung hereingebrochen. Doch noch näherte sich die Qual der beiden Ketzer nicht ihrem Ende. Fra Mariano und die von ihm ausgewählten Mönche des Chores von Santa Maria Maggiore stimmten nun einen Psalm aus dem Hohelied Salomos an, der die Herrlichkeit Gottes pries. Pius  IV . saß zusammengesunken auf seinem samtüberzogenen Stuhl und starrte die Ketzer so feindselig an, als machte er sie für seine eigene, körperliche Schwäche verantwortlich.
    Noch immer drängten sich Menschen auf die Tribüne, die viel zu klein wurde für die privilegierte Schar. Giulia wurde rüde zur Seite gedrängt. Der Becher zu ihren Füßen kippte um und rollte ein Stück das Brett entlang, auf dem sie stand, und wurde durch den Fuß eines anderen nach hinten ins Leere gestoßen. Die Mönche von Santa Maria Maggiore sangen noch immer, während der Dominikaner, der, wie Giulia jetzt klar wurde, der heiligen Inquisition angehörte, den verstockten Ketzern alle Strafen der Hölle androhte, wenn sie sich nicht bekehren würden. »Niemals!«, schrie die Frau gellend auf. »Gott verfluche dich und deinen Papst!«
    Der Dominikaner prallte zurück, als hätte er einen Schlag er-halten. Die Umstehenden murmelten drohend, und die ersten Steine prasselten auf den Scheiterhaufen nieder. »Wagt dieses Miststück es doch, Seine Heiligkeit zu schmähen!«, rief der Mann neben Giulia wütend und schleuderte seinen Weinbecher auf die Ketzerin.
    Giulia betete nur noch, dass alles schnell vorbei sein möge. Die Gesänge der Mönche zogen sich jedoch scheinbar endlos hin. Es war schon stockdunkle Nacht, als der Henker eine Fackel aus einem Feuerkorb nahm, sie über dem Kopf schwenkte und dem Volk zeigte. »Satan hat euch gezeugt. Zu Satan kehrt ihr zurück!« Die Stimme des Dominikaners vibrierte vor Hass. Er verfluchte die Ketzer in Italienisch und Latein und trat dann zurück, damit der Henker sein Werk tun konnte. Der Mann mit der Ledermaske verneigte sich vor dem Papst, der die brennende Fackel segnete, und stieß sie in den Holzstoß. Zuerst begannen nur einige Zweige zu knistern, dann aber schlugen die Flammen so schnell hoch, als hätte jemand das Holz mit Öl

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