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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hatte noch nie eine Waffe dieser Art in der Hand gehalten. Ihre Muskeln verkrampften sich und begannen zu zittern. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Fuhrenberg seinen Gegner mit einem Stoß in die Seite verletzte, und, ohne dem Sterbenden einen zweiten Blick zu schenken, seinem Herzog zu Hilfe eilte. Ihr eigener Widersacher bemerkte ihre Unaufmerksamkeit, sprang zurück und stürzte zu dem Gefallenen hin, um sich dessen Waffe zu bemächtigen. Giulia ahnte die Gefahr, in der sie gleich schweben würde, hob das Schwert mit beiden Händen und schlug einfach zu. Sie traf den Mann an der Hüfte, ohne mehr Wirkung zu erzielen als einen wütenden Aufschrei. In dem Moment aber, in dem er die Waffe seines toten Kameraden an sich raffte, traf ihn Fuhrenbergs Hieb im Nacken wie ein Henkersschwert. Giulia sah das Blut aufspritzen und musste sich übergeben.
    Als sie sich aufrichtete, war alles vorbei. Die vier Angreifer lagen leblos am Boden. Der Herzog lehnte mit verzerrtem Gesicht an der Hauswand und hielt sich den linken Ärmel, dessen zerfetzter Stoff sich immer mehr rot färbte. Während ihm der Regen in dichten Bächen über das Gesicht rann, lachte er Giulia zu. »Jetzt habt Ihr mir wirklich das Leben gerettet, Casamonte. Zum einen durch Eure Warnung, die früh genug gekommen war, und zum anderen dadurch, dass Ihr einen der Schurken von mir ablenken konntet. Es wäre genau der eine zu viel gewesen. Wenn Ihr einmal in Not geraten solltet, wisst Ihr, wohin Ihr Euch wenden könnt. Ich will in der Hölle braten, wenn ich Euch nicht mit allem helfen werde, das mir zur Verfügung steht.«
    Fuhrenberg hatte unterdessen die Toten untersucht. »Die Kerle haben nichts bei sich, was darauf hindeuten kann, wer sie geschickt hat.«
    Der Herzog zuckte mit den Schultern und stöhnte dann schmerzerfüllt auf. »Wer sie geschickt hat, wissen wir. Doch wir können es nicht beweisen und müssen uns auch um des Friedens willen zurückhalten.«
    Er sah Giulia an und nickte ihr aufmunternd zu. »Es ist das Beste, Ihr kehrt rasch in die Hofburg zurück, damit Euch niemand mit dieser Sache in Verbindung bringt. Ich lasse die Schramme hier verarzten und alarmiere die Büttel, damit sie die Kerle da wegschaffen.«
    Giulia ließ das Schwert fallen, das sie noch immer in der Hand hielt, und rannte wie von Furien gehetzt davon. Kurz darauf stolperte sie an den grinsenden Wachen vorbei, eilte in ihr Zimmer und riss sich dort die nassen Kleider von Leib. Mit klappernden Zähnen schlüpfte sie unter die Bettdecke und flehte die Heilige Jungfrau an, es möge alles nur ein Albtraum gewesen sein.

X .
    O ffiziell wurde der Mordanschlag auf den Herzog von Württemberg totgeschwiegen. Es gab keine Untersuchung, und niemand forschte nach den Hintermännern. Die Gerüchteküche aber brodelte. Es gab in diesen Tagen kaum ein Thema, das so ausgiebig durchgekaut wurde wie dieses. Piccolomini, der kaum begreifen konnte, dass sein sorgsam durchdachter Plan fehlgeschlagen war, wurde immer wieder mit Vermutungen konfrontiert, die der Wahrheit gefährlich nahe kamen. Es gab genügend Leute, die die Hintergründe der Tat zu kennen schienen, doch niemand beschuldigte ihn oder klagte ihn an. Sogar die Katholiken am Hof, die den Protestanten nicht sonderlich gewogen waren, ließen ihn spüren, dass er zur Unperson geworden war, und die Kaiserin zeigte ihm die kalte Schulter.
    Schlimmer traf es den Herzog der Baiern, in dessen Gefolge die Attentäter nach Wien gekommen waren. Auch ihm sagte niemand ins Gesicht, dass er den feigen Anschlag zu verantworten hätte. Aber Edelleute schnitten ihn und seine Begleiter, und er wurde zu keinem privaten Fest mehr eingeladen. Anders als der päpstliche Gesandte, der sich mit Bibelsprüchen und beredten Worthülsen aus der Affäre ziehen konnte, polterte der Baier bei der geringsten Andeutung los und wies jede Schuld empört von sich. Schließlich beschuldigte er seinerseits Christoph von Württemberg, vier brave bairische Soldaten umgebracht zu haben, um ihm am Zeug flicken zu können. Dabei trug er so dick auf, dass selbst die Gutwilligen an seine Schuld zu glauben begannen. Das Verhältnis zwischen dem selbstherrlichen Baiernherzog und dem Kaiser kühlte merklich ab, bis Maximilians Abneigung gegen Albrecht V. unübersehbar geworden war. Trotz seiner Dickfelligkeit begriff der Baier nach einigen Tagen, dass er am Wiener Hof nicht mehr erwünscht war, und kündete seine Abreise an.
    Giulia hatte Württembergs Rat befolgt und sich

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