Die Kastratin
und Paolo Gonzaga jeder Zeit warnen konnte.
Paolo war der Winkel, den er gewählt hatte, immer noch nicht sicher genug. So befahl er Giulia, ihm zu folgen, und stieg die Treppe zur Krypta hinunter. Dort war es so dunkel, dass Giulia ihn nur schemenhaft erkennen konnte. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Würde sie in diesem kalten, feuchten Gemäuer ihre Unschuld verlieren? Sie versuchte, sich zusammenzureißen, um dem Mann vor sich kein Schauspiel zu bieten. Außerdem war sie in gewisser Weise um die hier herrschende Dunkelheit froh. Wenn der Vetter Herzog Guglielmos sie hier zwingen wollte, sich ihm hinzugeben, brauchte sie wenigstens nicht auch noch den Triumph auf seinem Gesicht sehen.
Zu ihrer Verwunderung kam Paolo weder näher, noch berührte er sie, sondern ging erregt einige Schritte hin und her, bevor er zu sprechen begann. »Ich brauche Eure Hilfe, Casamonte.«
»Wenn es möglich ist, gerne.« Er schien sie also noch immer für einen Kastraten zu halten. Giulia musste an sich halten, um nicht zu laut aufzuatmen. In seiner Stimme schwang jedoch ein Ton, der ihr nicht gefiel. »Erinnert Ihr Euch noch an den Tag, an dem wir uns kennen lernten?«, fragte Gonzaga. Als sie es leise bestätigte, fuhr er fort. »Ich hatte damals ein Stelldichein mit einer schönen Frau. Ihr Ehemann war jedoch dahintergekommen und ließ mir von einigen Schlagetots auflauern. Ich konnte von Glück sagen, mit heiler Haut davongekommen zu sein. Dafür muss der Kerl jetzt büßen.«
»Ihr seht mich etwas hilflos, Euer Gnaden. Wie könnte ich Euch bei einer solchen Sache behilflich sein?«
»Ihr seid der Schlüssel zu meiner Rache«, erwiderte Paolo Gonzaga kalt. »Bei meinem Feind hängt jetzt der Haussegen schief. Baldassare Pollai wird gewiss alles tun, um seine Frau wieder zu versöhnen. Ich habe einem seiner Bekannten geraten, ihr ein Privatkonzert mit Euch zu verschaffen. Wie ich Pollai kenne, wird er diesen Köder schnappen und bei Euch anfragen, ob Ihr dazu bereit seid. Ihr werdet es natürlich tun. Dringt aber darauf, dass niemand außer Euch und Leticia Pollai anwesend sein darf, auch kein Diener.«
Giulia verstand rein gar nichts mehr. »Das scheint mir kaum das geeignete Mittel zu sein, Eure Rache zu nehmen.«
Gonzagas Lachen ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen, und seine nächsten Worte erfüllten sie mit Schrecken. »Ich werde an Eurer Stelle zu Leticia Pollai gehen und sie verführen. Erst wenn ihr Mann das Geweih des Hahnreis trägt, kann ich wieder in Ruhe schlafen.«
»Aber das wäre doch Ehebruch!«, rief Giulia entsetzt. Der Priester in Saletto hatte dies immer als eine der Todsünden bezeichnet, für die man unweigerlich in die Hölle kam.
Paolo Gonzaga lachte sie aus. »Was wollt Ihr? Ihr begeht ihn ja nicht.«
»Es ist trotzdem unmöglich. Ihr seid fast einen Kopf größer als ich und habt nicht meine Stimme. Selbst wenn Ihr mit der Frau allein wäret, erwarten die Menschen im Haus, Gesang zu hören.«
»Da habt Ihr Recht«, gab Gonzaga nachdenklich zu, wusste aber sofort eine Lösung. »Ihr werdet mich begleiten und an meiner Stelle singen. Ich werde Euch Pollais Leuten als meinen, sprich Euren Pagen vorstellen.«
»Das tue ich nicht. Ich versündige mich nicht gegen Gottes Gebote.« Giulia war mehr als entsetzt über diese Zumutung.
Gonzaga packte sie mit einem so harten Griff an der Schulter, dass sie vor Schmerzen aufstöhnte. »Du wirst tun, was ich von dir verlange, du lächerliche Missgeburt. Ich habe überhaupt erst dafür gesorgt, dass die Edlen Mantuas auf dich aufmerksam wurden und dich zu ihren Festen rufen. Glaube mir, es kostet mich nur ein Wort, dafür zu sorgen, dass dir alle Häuser bis vielleicht auf eine solche Armenkirche wie diese hier, in der du für Butterbrot singen müsstest, verschlossen bleiben. Hast du mich verstanden?« Er schüttelte Giulia dabei wie ein Büschel Stroh und stieß sie schließlich von sich.
Sie stolperte rückwärts über einen Fußschemel und stürzte zu Boden. Paolo Gonzaga ragte plötzlich wie ein Riese über ihr auf und bleckte seine Zähne, die weiß durch die Dunkelheit leuchteten. »Ich hoffe, du hast die Warnung begriffen. Hier in Mantua trauert niemand einem Fremden nach, der ein ewiges Bad im Mincio nimmt.«
Diese Drohung war mehr als deutlich. Das Erschreckende für Giulia daran war, dass Gonzaga es ernst meinte. Entweder sie half ihm, oder sie war ruiniert oder gar tot. Sie rappelte sich zitternd auf und verfluchte die Stunde, in der
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