Die Kastratin
überreichte dem Sieger einen goldenen Lorbeerkranz und eine gut gefüllte Börse. Belloni verneigte sich etwas linkisch vor dem Herzog und wurde dann von dem Diener gebeten, ihm zu den Gemächern zu folgen, die er in Zukunft bewohnen würde. »Um den zweiten Platz gab es gewisse Differenzen, doch kam Seine Gnaden zu dem Schluss, dass er Giulio Casamonte gebührt.«
Noch während Giulia überrascht die Börse nahm, die ihr gereicht wurde, und sich vor dem Herzog verneigte, nahm sie die gekränkten Mienen der Hofmusiker und die verärgerten der vier Hofsänger wahr und begriff, dass Guglielmo Gonzaga sich über das Urteil seiner Angestellten hinweggesetzt hatte. Ein kurzer Blick auf Sebaldi zeigte ihr, dass er vor Wut und Enttäuschung beinahe platzte. Er nahm die Börse, die man ihm schließlich für den dritten Platz reichte, mit der Arroganz eines sich verkannt fühlenden Genies entgegen und verließ mit einer gerade noch höflich zu nennenden Verbeugung den Raum.
Giulia begriff, dass auch sie verabschiedet war, neigte das Haupt vor Herzog Guglielmo und wollte Sebaldi folgen. An der Tür hielt sie eine Frau in der strengen, schwarzen Tracht einer Kammerfrau einer adligen Dame auf. »Signore Casamonte, meine Herrin, die Gräfinwitwe von Falena, wünscht Euch zu sprechen. Bitte kommt mit mir.«
Die Stimme der Frau klang weder besonders freundlich noch direkt feindselig, sondern eher taxierend. Giulia folgte ihr verwundert und wurde in eine Laubenpergola geführt, deren Dach und Wände von den sich bereits kupfern färbenden Blättern wilder Weinranken bedeckt waren. Die Dame, die sie erwartete, war niemand anders als die Witwe, die an der Seite des Herzogs dem Sängerwettstreit zugehört hatte. Sie hatte ihr Überkleid ausgezogen und saß nun in schwarzer Witwentracht auf einer Bank, um die wärmenden Strahlen der Herbstsonne zu genießen. Als sie Giulia auf sich zukommen sah, huschte der Anflug eines Lächelns über ihr Gesicht. »Ich freue mich, Euch zu sehen, Casa-monte. Ihr habt zwar nicht den ersten Preis und den Dank Herzog Guglielmos errungen, doch auf mich hat Eure Stimme sehr großen Eindruck gemacht, sogar einen größeren als die des unvergleichlichen Belloni.«
Giulia begriff nicht, worauf die Gräfinwitwe hinauswollte. Daher verneigte sie sich sehr höflich. »Ich freue mich, dass mein Gesang Euch nicht missfallen hat.«
Das Lächeln der Dame wurde wärmer. »Euer Vortrag hat mir sogar ausgezeichnet gefallen, vor allem dieses letzte Lied, über das die Musiker des Herzogs zwar die Nase rümpften, das den Klang Eurer Stimme jedoch wie kein zweites zum Tragen brachte.«
»Erlaucht sind zu gütig.«
»Eure Stimme hat mir so gut gefallen, dass ich Euch bitte, über den Winter in meine Dienste zu treten.«
Dieses Angebot kam für Giulia so überraschend, dass sie erst einmal schluckte. Bevor sie antworten konnte, sprach die Gräfinwitwe bereits weiter. »Ich bin eine alte Frau, mein Kind, und im Winter, wenn der Wind kalt die Hänge des Apennin herabpfeift und die endlosen Nebel nicht weichen wollen, überkommen mich oft trübe Gedanken, die mir das Leben verbittern. Da keine Medizin in der Lage ist, diese melancholischen Stimmungen zu vertreiben, riet mir mein neuer Arzt, einen Sänger mit goldener Stimme in mein Schloss zu holen und die Kälte in meinem Herz von seinen Liedern vertreiben zu lassen. Aus diesem Grund hat mir Herzog Guglielmo auch gestattet, dem Wettstreit beizuwohnen. Als ich Euch hörte, wusste ich, dass Ihr dieser Sänger sein könnt.«
Giulia hätte am liebsten ›ja, ich trete in Eure Dienste‹ gerufen. Dieses Engagement war ein Geschenk des Himmels, es würde sie und ihren Vater vor dem unzweifelhaften Niedergang bewahren, der in Mantua auf sie wartete. Bis jetzt hatte sie nur eine einzige Einladung für die kommende Woche erhalten, da die Reichen und Edlen von Mantua die Entscheidung ihres Landesherrn hatten abwarten wollen. Jetzt würden sie sich alle um Belloni reißen, und da Sebaldi ebenfalls in der Stadt bleiben wollte, würde er ihr in den Bürgerhäusern Konkurrenz machen. Die Leute wollten neue Lieder hören, und damit konnte sie leider nicht aufwarten. »Ich fühle mich sehr geehrt. Doch leider bin ich nicht Herr meiner Entscheidungen, sondern auf den Willen meines Vaters angewiesen. Ich werde ihm von Euren Angebot berichten und hoffe, dass er ebenso wie ich geneigt ist, es anzunehmen.«
Giulia wusste, dass es nicht leicht sein würde, ihren Vater dazu zu bewegen,
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