Die Kastratin
entweder alt und hässlich oder besaßen kräftige Freunde, die einem Mann wie ihm ein bisschen Spaß im Bett oder im Heu missgönnten.
Während die Dorfbewohner in einer langen Reihe an der Gräfinwitwe vorbeidefilierten und ihre Glückwünsche zum Fest überbrachten, suchte Giulias Vater Trost im Wein. Bei diesem Fest musste der Kellermeister der Burg, der ihm sonst höchstens einen Krug am Tag zumaß, den Hahn laufen lassen. Girolamo Casamonte nahm sich vor, so viel zu trinken, wie er vermochte, auch wenn es ihn beim ersten Schluck noch geschüttelt hatte. Am Tisch der Gräfinwitwe wurde gewiss ein besserer Tropfen aufgetischt, dachte er und starrte seine Tochter neiderfüllt an. Giulia beendete eben ihr drittes oder viertes Lied, und die Gräfinwitwe klatschte begeistert Beifall. Pater Franco fasste sogar Giulias Hand und schüttelte sie enthusiastisch.
Wenn der Mann wüsste, dass er gerade die Hand einer Frau berührt, würde er seine eigene abhacken lassen, fuhr es Girolamo Casamonte durch den Kopf. Es wäre ein Heidenspaß, es vor all diesen Leuten laut herauszuschreien. Die dummen Gesichter hätte er sehen mögen. Leider musste er sich das Vergnügen verkneifen, denn seine Existenz hing von diesem undankbaren, pflichtvergessenen Weibsbild in Hosen ab. Sein Blick glitt über ihre Figur, die von der Männerkleidung stark betont wurde. Das Mädchen war jetzt achtzehn Jahre alt, also genau in dem Alter, in dem Frauen am schönsten blühen. Ihr ebenmäßiges Gesicht und die großen Augen wirkten nur wegen der strengen Frisur und dem Barett auf ihrem Kopf nicht völlig weiblich, und trotz der Brustbänder, mit denen sie ihre reich erblühte Fülle bändigte, zeichnete sich ihr Busen recht deutlich unter ihrem Wams ab.
Girolamo Casamonte verspürte mit einem Mal den Wunsch, Giulias Brüste zu berühren und zu liebkosen. Dabei empfand er zunächst noch so etwas wie ein schlechtes Gewissen, denn schließlich war sie die Frucht seines Leibes. Doch dann erinnerte er sich an eine Stelle aus der Bibel, in der es hieß, Noah habe in der Not seines Leibes mit seinen Töchtern geschlafen. So, wie sich seine Lenden spannten, war er wahrlich selbst in großer Not. Er blickte auf Giulias übertrieben große Schamkapsel und musste daran denken, dass sie etwas ganz anderes bedeckte, als die anderen Leute annehmen mussten.
Plötzlich wurde es ihm in seiner eigenen Schamkapsel zu eng. Er stöhnte vor Schmerz auf und rannte zum Abtritt. Während er dort seine Hose neu ordnete, sagte er sich, dass die Sünde Onans vor Gott möglicherweise weniger zählen würde, als es Noah gleichtun zu wollen. Doch dann dachte er daran, dass seine Tochter wegen ihrer Verkleidung, an der er ja nicht ganz unschuldig war, keine Chance hatte, die Wohltat körperlicher Liebe zu genießen. Daher war es ganz einfach seine Pflicht, ihre Sinne zu erwecken. Dieser Gedanke gab ihm seine Ruhe und seine Zuversicht wieder, und er kehrte freudig erregt in den Festsaal zurück.
X .
G iulia fand, das diese Festa di Natale die schönste war, die sie je erlebt hatte. Selbst ihr Vater, der selten zufrieden war, schien seine gute Laune wiedergefunden zu haben. Er trank auch nicht mehr ganz so viel wie zu Beginn und klatschte wie die anderen Zuhörer nach jedem ihrer Lieder begeistert Beifall.
Schließlich nahte der Höhepunkt der Feier. Eigenhändig beschenkte die Gräfinwitwe die Dorfbewohner, die ihr ihre Aufwartung machten, mit hübschen Kleinigkeiten und ließ ihnen dazu kleine Kuchen überreichen. Auch die Bediensteten gingen nicht leer aus. Die Frauen erhielten ein Stück Stoff für ein neues Kleid, die Männer ein hübsches Messer und beide Geschlechter ein paar Silbermünzen. Pater Franco wurde ebenfalls beschenkt und sah dann ebenso gerührt wie wohlgefällig auf das hübsch illustrierte Buch, das die Gräfinwitwe in Mantua für ihn erworben hatte.
Ganz zuletzt winkte die Burgherrin Giulia zu sich. »Ich danke Euch für diesen wunderschönen Tag, Casamonte. Aus diesem Grund möchte ich, dass Ihr diesen Ring als kleines Geschenk annehmt.«
Sie reichte Giulia einen goldenen Ring, in dessen Fassung ein kunstvoll geschnittener Amethyst eingesetzt worden war. Celestina, ihre Kammerfrau, brachte ein Tablett mit Papier, Siegelwachs und einer brennenden Kerze herein und stellte es vor Giulia auf den Tisch. »Es ist ein Siegelring.« Die Gräfinwitwe forderte Giulia lächelnd auf, ihn zu erproben. Die Kammerfrau erhitzte das Wachs und ließ etwas davon auf das
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