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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nicht, dass er noch ein paar Münzen aus seiner eigenen Börse hatte hinzulegten müssen.
    Vincenzo war es jedoch klar, denn er wusste, dass die Summe, die der Kastrat seinem Diener mitgegeben hatte, niemals für beide Gegenstände ausgereicht hätte. Jetzt stand er auch noch in der Schuld eines einfachen Dieners und hatte keine Ahnung, wann er diese begleichen konnte. Dabei war das, was er Beppo schuldete, nur ein Trinkgeld gegen die Summen, die einige Leute in Modena von ihm zu bekommen hatten. Solange er die nicht zahlte, lief er Gefahr, als ehrlos zu gelten.
    Giulia betrachtete Vincenzo, der über etwas Unangenehmem zu brüten schien, und räusperte sich nach einer Weile. »Was seid Ihr plötzlich so still?«
    Vincenzo biss die Zähne zusammen, nahm die Laute in die Hand und schlug die ersten Akkorde eines der neuen Lieder an.

XIV .
    G irolamo Casamonte blieb fünf Tage im Bett und gebärdete sich dabei so, als läge er im Sterben. Als er schließlich doch aufstand und in einem weiten, rot und blau gemusterten Morgenrock im Frühstückssalon erschien, flatterten seine Augen unstet, und er starrte immer wieder ängstlich durch das Fenster auf die Straße. Sein Verhalten war so auffällig, dass Giulia und Vincenzo ihn gleichermaßen verwundert anstarrten. »Gibt es etwas Besonderes, Vater?«, fragte Giulia, die seine Angst beinahe körperlich zu spüren glaubte.
    Ihr Vater schüttelte schon den Kopf, besann sich dann aber anders und versuchte, eine feste Haltung einzunehmen. »Mir gefällt dieses Modena nicht. Daher werden wir die Stadt auf dem schnellsten Weg verlassen.«
    »Nein, wir bleiben hier!« Obwohl Giulia leise sprach, klang es wie ein Peitschenhieb. Ihr Vater zuckte zusammen, doch bevor er etwas sagen konnte, sprach Giulia weiter. »Die Gräfinwitwe von Falena hat mich mit mehreren Empfehlungsschreiben für einige ihr bekannte Damen der hiesigen Gesellschaft ausgestattet. Damit brauchen wir nicht zu bangen, ob ich nun ein Engagement bekomme oder nicht. Ich verzichte nicht auf den Vorteil, den ich dadurch erhalte, nur weil du in irgendeinen unsinnigen Streit geraten bist.«
    Girolamo Casamonte erkannte mit Erschrecken, dass er jede Autorität über seine Tochter verloren hatte. Früher hätte sie es nie gewagt, ihn wie einen kleinen Jungen abzukanzeln, besonders nicht in Gegenwart eines Fremden. Die Erinnerung an jene demütigenden Augenblicke in der Casa Cotturi und die Drohungen der jungen Adligen zwangen ihn jedoch, auf seinem Vorsatz zu beharren. Es störte ihn allerdings sehr, ihn begründen und damit sein Missgeschick offenbaren zu müssen. »Es geht nicht anders, Giulio. Ich bin vor ein paar Tagen – völlig schuldlos, wie ich betonen möchte – mit ein paar Lümmeln aus dieser Stadt aneinander geraten. Man hat mich geschlagen und bedroht. Wenn ich den Kerlen noch einmal begegne, werden sie mich umbringen.«
    Giulias Miene zeigte deutlich, dass sie seinen Beteuerungen nicht glaubte. Vincenzo erinnerte sich jetzt jedoch daran, wo er den alten Casamonte gefunden hatte. »Wart Ihr etwa im Haus der Olimpia Cotturi? Deren Nichten sind zu vornehm für Euch, und wie ich behaupten will, auch zu teuer.«
    »Was ist schon dabei, eine Kurtisane aufzusuchen?«, erklärte Giulias Vater mit dem Schmollmund eines fünfjährigen Knaben. »Normalerweise nichts, aber in diesem Fall kann es für Euch gefährlich werden«, erwiderte Vincenzo mit einem grimmigen Lächeln. »Die Gäste der Casa Cotturi sind zumeist wohlhabende Adlige und reiche Nichtstuer, die es sich leisten können, pro Monat einige hundert Golddukaten für eine schöne Kurtisane auszugeben. Ich traue diesen Männern durchaus zu, ein schlimmes Schauspiel mit einem Fremden aufzuführen, der ohne Schutzbrief reist.«
    »Sie mögen meinen Vater verprügelt haben, aber warum sollten sie ihn umbringen wollen?« In Giulias Stimme schwang die Überzeugung mit, ihr Vater habe wohl jeden empfangenen Hieb verdient.
    Giulias verächtlicher Tonfall schockierte Vincenzo. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Die jungen Edelleute in dieser Stadt sind mehr als zügellos. Selbst ich muss befürchten, dass man mich ermorden wird, wenn ich meine Spielschulden nicht in absehbarer Zeit bezahlen kann.«
    Girolamo Casamonte sah ihn mit dankbaren Hundeaugen an. »Ihr versteht, dass ich die Stadt so schnell wie möglich verlassen muss.«
    Giulia sprang mit einem Mal vom Tisch auf und stürmte zur Tür hinaus. Wenige Augenblicke später kehrte sie mit mehreren versiegelten

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