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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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immer ebenmäßig und konnte zu einem gut aussehenden hübschen Jüngling wie zu einer hübschen, wenn auch nicht direkt schönen Frau gehören.
    Giulia zuckte leicht zusammen, denn sie mochte es nicht, so eindringlich gemustert zu werden, sah aber ihrerseits den Fremden durchdringend an. Bei ihr dauerte etwas länger, bis sie ihn erkannte. »Ich glaube, ich erinnere mich an Euch. Ihr habt damals ein ziemlich freches Chanson über irgendeinen Bischof gesungen und mich nachher harsch kritisiert. Eure Bekannten nannten Euch Vincenzo.«
    »Ihr habt ein außergewöhnliches Gedächtnis. Ja, ich bin Vincenzo de la Torre.«
    Er wunderte sich über sich selbst, weil er sich über diese Begegnung freute, denn er konnte Kastraten eigentlich nicht ausstehen. Freunden gegenüber pflegte er zu sagen, dass ihm beim Anblick dieser Nichtmänner seine Hoden schmerzen würden. Er holte tief Luft und überlegte, was er tun sollte. Eigentlich hatte er nur den Verletzten hier abladen wollen und war sich über das Danach gar nicht im Klaren gewesen. Dieser Casamonte aber hatte ihn schon damals interessiert, sonst hätte er ihn in Mantua nicht angesprochen, und jetzt wäre er gerne etwas länger geblieben, um mehr über den jungen Nichtmann mit der ungewöhnlichen Stimme zu erfahren.
    Assumpta, die immer noch Giulias Vater säuberte, richtete sich auf. »Herr Giulio, dieser Edelmann hat Eurem Vater geholfen und ihn bis hierher geschleppt. Ihr könntet ihn zum Dank wenigstens zu einem Glas Wein einladen.«
    »Das ist eine gute Idee. Bitte, Messer de la Torre, gewährt mir die Ehre Eurer Gesellschaft, auch wenn es schon spät geworden ist. Der Wirt wird uns gewiss noch etwas ausschenken.« Giulias Lächeln stürzte Vincenzo noch mehr in Verwirrung. Er folgte dem Kastraten jedoch ohne Zögern in einen kleinen Privatsalon und ließ sich auf einem gepolsterten Stuhl nieder.
    Der Wein, den ein eifriger Knecht hereinbrachte, war ausgezeichnet. Vincenzo spürte, dass er in seinem ausgehungerten Zustand nicht mehr als ein Glas trinken durfte, um nicht völlig betrunken zu werden. Im selben Augenblick machte sich sein Magen mit einem sehr deutlichen Knurren bemerkbar. Vincenzo genierte sich fürchterlich, während Giulia leicht erschrocken den Kopf hob. »Ihr seht aus, als wäre es Euch seit Mantua nicht gerade wohl ergangen.«
    »Ganz so schlimm ist es nicht«, versuchte sich Vincenzo he-rauszureden. Irgendetwas zwang ihn jedoch, aufrichtig zu sein. »Nachdem ich die Stadt hastig verlassen musste, ging es mir eine Zeit lang sogar recht gut. Ich besuchte Verwandte, die mich herzlich aufnahmen und mich wie ihren eigenen Sohn behandelten. Leider gab es auch dort Differenzen wegen meiner Liedtexte, und so wurde ich nach einer Weile gebeten, weiterzuziehen. Irgendwann kam ich dann nach Modena und wurde von den jungen Edelleuten hier mit offenen Armen empfangen.«
    Giulia hob verwundert die rechte Augenbraue. »Danach seht Ihr nicht gerade aus.«
    »Daran ist der Spielteufel schuld«, gab Vincenzo unumwunden zu. »Meine Freunde, wenn man sie so nennen will, spielten viel und vor allem um große Summen. Ich wollte natürlich nicht abseits stehen, auch in der Hoffnung, Fortuna würde mir gewogen sein und mir meine mager gewordene Börse wieder auffüllen. Zunächst gewann ich auch. Dann wurde ich jedoch unvorsichtig und verlor mehr, als ich gewonnen hatte, ja sogar mehr, als ich besaß. Vom Wahn gepackt, meine Verluste zurückholen zu müssen, lieh ich mir von anderen Geld und verlor auch das. Da ich meine Schulden nicht begleichen konnte, war ich in der feinen Gesellschaft sehr schnell unten durch. Daraufhin versuchte ich, Bekannte anzupumpen, um wenigstens die Menschen bezahlen zu können, von denen ich Geld geliehen hatte. Aber leider sind die Edlen Modenas alles andere als großzügig.«
    Giulia griff lächelnd nach dem Weinbecher und trank ihrem Gast zu. »Vielleicht hatten Eure Bekannten Angst, Ihr würdet auch ihr Geld dem Spielteufel anheim geben.«
    »Das hätte ich gewiss nicht getan. Ich habe ja auch Euren Vater hierher getragen, obwohl ich ihm genauso gut die Börse hätte abnehmen und mir etwas zum Essen hätte kaufen können.« Die Worte waren schneller ausgesprochen, als Vincenzo denken konnte. Er ärgerte sich sofort darüber, doch da rief Giulia bereits den Wirtsknecht herein und wies ihn an, ein Mahl für ihren Gast aufzutischen.
    Dabei fiel ihr das Bündel auf, das Vincenzo in die Ecke gelegt hatte, und schloss treffend, dass er ohne

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