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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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die Tour nicht an einem Tag. Ihr müsst irgendwo übernachten.«
    »Es soll eine Hütte geben, irgendwo auf der Rückseite des Ghost«, erwiderte Katie. »Und was die Ausrüstung betrifft, keine Sorge, ich weiß, wo wir die herbekommen: Seile, Helme, Steigeisen...«
    »Steigeisen? Willst du etwa über den Gletscher?« Davids Augen, deren Blau zu den braunen Haaren noch intensiver wirkte, starrte sie wütend an.
    Katie biss sich auf die Lippen. Verdammt! David hatte ihren Plan erraten. Dabei war er jemand, den sie unbedingt dabeihaben wollte. Er war der Verlässlichste von allen hier. Jemand, der die Ruhe nicht verlieren würde.
    »Und wer führt das Team an, Katie? Wer trifft die Entscheidungen? Du?«, fragte Chris. »Meinst du, wir alle hier vertrauen dir so weit?«
    Für einen Moment herrschte Schweigen, doch Katie hatte damit gerechnet.
    »Nein. Es gibt da jemanden, der uns über den Gletscher führen wird.«
    Die anderen sahen sie verblüfft an. Damit hatten sie nicht gerechnet.
    »Ihr Name ist Ana Cree. Im Winter arbeitet sie als Skilehrerin, im Sommer jobbt sie meist in einem Sportgeschäft in Fields und leitet gelegentlich Bergtouren. Ihr Großvater Nanuk Cree stand jahrelang den Mounties vor, die eine Station in Fields unterhalten. Sie ist in jedem Fall dabei. Du siehst also«, Katie wandte sich an David, »ich bin durchaus vorbereitet. Ohne Führer über den Gletscher – das wäre tatsächlich unverantwortlich.«
    Die Worte kamen ganz selbstverständlich aus ihrem Mund, dabei war es Ana Cree gewesen, von der sie stammten. Und sie war es auch gewesen, die darauf bestanden hatte, dass sie in einer Gruppe von mindestens sechs Leuten gingen, als Katie vorgeschlagen hatte, nur zu zweit aufzubrechen.
    »Wie lange kennst du sie schon?«, fragte David.
    »Lange genug.«
    »Cree?« Chris stützte sich auf den Ellenbogen. »Heißt das, sie ist indianischer Abstammung?«
    Katie nickte.
    »Und du sagst, sie kennt sich hier oben aus?«
    »Ihr Großvater gehörte damals zu der Mannschaft, die nach den acht Studenten gesucht hat. Also was ist nun? Wer außer Julia und Chris kommt mit?«
    Niemand meldete sich.
    Katie erhob sich. »Macht, was ihr wollt, ich geh auf jeden Fall!«
    Sie drehte sich um in Richtung College. »Hört zu – für alle, die sich anders entscheiden: Wir treffen uns um neun Uhr im Geräteraum der Sporthalle. Dort finden wir alles an Ausrüstung, was wir brauchen. Also – wer will, kann kommen.«

    Katie saß auf dem Liegestuhl auf dem Balkon. Sie hatte die Füße aufs Geländer gelegt und starrte auf den dunklen See unter sich. Noch immer war es warm, obwohl die Sonne längst untergegangen war. Der Campus und die Wiesen zum See hinunter waren bevölkert. Lachen und Rufe drangen zu ihr hinauf.
    Seit einer Stunde schon saß sie hier und ging die ganze Sache immer wieder durch.
    Ana, Chris, Julia und sie.
    Würde es dafür reichen, was sie sich vorgenommen hatte? Ana hatte auf den sechs Leuten bestanden. Je mehr, desto besser, hatte sie gesagt und Katie wusste, dass das im Grunde genommen nur vernünftig war. Was, wenn ein Notfall eintraf? Was, wenn sie sich trennen mussten, um verschiedene Wege zum Gipfel auszuprobieren? Andererseits zwei Gruppen von je zwei Personen – würde das nicht reichen?
    Sie spürte Sebastiens Blick. Sein Foto lag auf ihrem Schoß. Er wäre sogar allein gegangen, verdammt. Das hatte sie von jeher unterschieden. Sebastien war immer an die absolute Grenze gegangen. Katie dagegen hatte mehr als einmal kurz davor gezögert.
    Sie blickte auf die Uhr. Viertel vor neun. Sie stand auf, streifte ihre Kapuzenjacke über, schlüpfte in die Chucks und öffnete ihre Zimmertür. Das Apartment war wie ausgestorben, genauso wie die Korridore des zweiten Stockwerks. Offenbar zogen es alle Studenten vor, den ungewöhnlich milden Abend draußen zu verbringen, anstatt in den muffigen Apartments abzuhängen.
    Katie blieb vor dem Aufzug stehen und drückte den Knopf. Vom zweiten Untergeschoss führte ein Tunnel zu den rückwärtigen Gebäuden und den Sporthallen. Sie hätte auch außen herumgehen könne, aber sie hatte keine Lust, Debbie oder irgendjemand anderem zu begegnen, der sie mit Fragen oder Bemerkungen nerven könnte.
    Mit lautem Scheppern hielt der Fahrstuhl vor ihr an. Genau wie die holzgetäfelten Flure mit dem zerschlissenen Teppich hatte er schon einige Jahre hinter sich, er war einer von diesen Lifts, hinter dessen Glastür sich eine dieser altmodischen Falttüren verbargen, die

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