Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
Bruchlinie mitten durch den Gletscher. Stellenweise war sie über fünf Meter breit und dann wieder schien sie so schmal, dass man nur einen Schritt darüber zu machen brauchte. Doch Katie hatte inzwischen so etwas wie einen Blick entwickelt für die Form der Ränder und die Beschaffenheit des Eises und wusste, dass man gerade an den Bruchkanten nicht sicher sein konnte, ob das Eis hielt.
    »Und wie wollen wir die umgehen?« Julias Stimme klang besorgt.
    »He, Chris, David, könnt ihr Benjamin mal festhalten?« Bevor Katie noch begriff, hatte Ana schon ihren Rucksack gelöst, nicht aber das Seil, das ihren Gurt mit dem von Benjamin verband. Sie griff nach ihrem Eispickel, packte ihn fest, nahm Anlauf und sprang mit einem Satz auf die andere Seite der Spalte, wo sie im Schnee landete. Als die Füße ihr unter dem Eis wegrutschten, holte sie mit dem Pickel aus und schlug ihn fest in den Schnee, um ihren Fall zu stoppen.
    Mit einem Ruck wurde Benjamin nach vorne gezogen und stolperte auf das Loch zu. Davids Hände krallten sich in seine Schultern und zerrten ihn zurück.
    »He, spinnst du?« Zum ersten Mal seit Katie ihn kannte, sah Benjamin kreidebleich aus. »Du hättest mich fast in die Gletscherspalte gezogen.«
    Ana schüttelte den Kopf. »Hätte ich nicht. Aber es wurde Zeit für eine Lektion. Damit du endlich kapierst, womit du es hier zu tun hast.«
    Ana löste den Rucksack von den Schultern und hatte Probleme damit, den rechten Arm durch den Riemen zu ziehen.
    »Alles in Ordnung?«, rief David.
    »Alles klar.« Ana sah zu ihnen hinüber. »Also, Ben, du bist der Erste.«
    Eisiges Schweigen war seine Antwort.
    »Was ist?«
    »Wenn du glaubst, ich wage diesen Todessprung, hast du dich geirrt«, protestierte er. »Im Weitsprung war ich schon immer eine Niete!«
    »Tja, die Alternative sieht so aus, dass du hier in die Tiefe kletterst und dann auf der anderen Seite wieder hochkommst. Oder einen kilometerlangen Umweg in Kauf nimmst.« Über Anas Gesicht lag ein Grinsen.
    Ben drehte sich um. »Soll doch einer von den anderen den Anfang machen. Julia zum Beispiel. Die ist in der Leichtathletikauswahl.«
    »Von wegen!« Ana schüttelte den Kopf. »Du hängst als Zweiter an meinem Seil, also bist du an der Reihe. Und wir brauchen hier zwei Mann, wenn einer von den anderen es nicht schafft.«
    »Und wenn ich es nicht schaffe?«
    »Glaub mir, du wirst es schaffen. Denn du hast die Wahl! Entweder da runter«, Ana deutete in die Spalte. »Oder du springst hier rüber in meine Arme. Also beweg deinen Arsch!«
    Benjamin zögerte und sah in seiner lila Goretex-Jacke so erbärmlich und unglücklich aus, dass er Katie fast leidtat.
    Chris, David und Julia tauschten zögernde Blicke.
    »He, Mr Filmproduzent!«, rief Paul. »Hier gibt es keine Stuntleute. Hier ist jede Actionszene echt. Also, spring, verdammt noch mal!«
    Benjamin setzte den Rucksack ab, ging einige Schritte zurück, holte Anlauf und sprang.
    Es war nicht weit – nicht für einen geübten Sportler, aber kaum war er sicher auf der anderen Seite gelandet, rastete er total aus. »He, ich habe es geschafft. Ich habe es geschafft! Ich bin über eine Gletscherspalte gesprungen. Wie breit ist die? Was meinst du, Ana? Mindestens zwei Meter fünfzig, oder?«
    Katie war sicher, dass diese Spalte biblische Ausmaße angenommen hatte, sobald sie zurück im Grace waren. Benjamin würde sich aufspielen, als befände er sich in einer Liga mit Moses. Nur dass er sein Volk nicht durch das Rote Meer, sondern über diesen Gletscher geführt hatte.
    Ana sah sich um. Unweit von ihrem Standpunkt ragte ein einzelner großer gefrorener Stein aus dem Schneefeld. Ana nahm das Seil und schlang es um ihn.
    »Okay, das Seil ist sicher. Die Felsen hier hat uns der liebe Gott geschickt.«
    »Heißt der bei euch nicht Manitou?« Benjamin war so aus dem Häuschen, dass er in die unterste Schublade seiner Flachwitze griff, zumindest fand Katie das. Aber Ana beachtete ihn nicht. »Ich werfe euch jetzt das Seil hinüber«, rief sie der übrigen Gruppe zu. »Ihr bindet eure Rucksäcke daran fest, lasst sie langsam in die Spalte hinunter und Benjamin und ich ziehen sie hoch. Achtet darauf, dass die Taschen alle zu und die Reißverschlüsse verschlossen sind. Nicht, dass ihr etwas verliert. Wenn die Rucksäcke sicher auf unserer Seite sind, dann springt ihr in der Reihenfolge, wie ihr angeseilt seid.«
    Julia war die Nächste. Sie zögerte einmal kurz und David machte einen Schritt nach vorn, wie um

Weitere Kostenlose Bücher