Die Katastrophen-Welt
ausgekocht. Sicher, Sethys hatte Pech gehabt, aber seine Folterknechte waren bestimmt in Sicherheit. Und wo sie sich hingewandt hatten ...
Dann dachte ich an Kreta. Sethys hatte die Insel auf seiner Karte angezeichnet. Zablun hatte sie erwähnt. Die Münze stammte von dort. Ich holte sie heraus und hielt sie ins Kompaßlicht.
Kreta. Ich hatte nicht viel, wonach ich mich richten konnte. Aber irgendwie brannte der Name in mir. Es würde ein langer Weg sein, doch mit der Ausrüstung an Bord konnte ich es schaffen.
Ich studierte die Nordatlantikkarte, überprüfte den Kompaß und setzte den Kurs. Ich kam mir vor wie ein Narr. Aber trotzdem war mir plötzlich wohler.
Die Route, die ich mir durch den Kanal nördlich der Great Abaco Insel ausgewählt hatte, stellte sich als ein einziger Schlamm heraus. Erst gegen Morgen fand ich einen freien Wasserweg im Norden der Grand Bahama Insel, die jetzt eine Bergkette auf einem neuen Subkontinent war – eine Reihe von grünen Gipfeln über einem Hügelland aus stinkigem grauen Sand.
Langgestreckte Wellen hoben das Heck meines Bootes in einem 15-Sekunden-Abstand und rollten auf die Küste zu. Vier Stunden später befand ich mich an einer Stelle, wo man eigentlich die Bermudainseln sehen müßte. Aber entweder taugte mein Fernglas nichts, oder mein Kurs stimmte nicht, oder ein weiteres schönes Stück Landschaft war unter dem Wasser versunken.
Ja, es war wirklich ein ordentlicher Weg bei Höchstgeschwindigkeit über freies Wasser unter einer Sonne, die von einer hochliegenden Schicht Smog verschleiert war, während eine niedrigere Lage den jetzt nur allzu vertrauten Geruch von heißen Steinen und Schwefel mit sich trug. Fünfhundert Meilen auf offener See mußte ich noch Ascheteilchen aus meinen Augen reiben.
Meine Verpflegung war bedeutend besser als das Dosenzeug, von dem ich mich in letzter Zeit hatte ernähren müssen. Es gab geräucherten Truthahn, Artischockenherzen, schottisches Weizenbrot, eine größere Auswahl an tiefgekühltem Gemüse und Obst. Nicht einmal an Eiswürfeln für meinen Whisky fehlte es. Und die Weine in den Kisten verrieten den Geschmack eines Kenners.
Das Schiffsradio gab nicht viel mehr als ein Knistern und Krachen her, aber das Tonbandgerät berieselte mich mit klassischer Musik, sofern man bei Wagner noch von Berieseln sprechen kann.
Der Luftzug durch die geöffneten Fenster hatte den Gestank von Verwesung aus der Kajüte vertrieben, aber ich zog es vor, die erste Nacht auf einem Faltbett im Freien zu schlafen. Als ich beim Aufwachen jedoch den Ruß bemerkte, der mich dicht bedeckte, verzog ich mich doch lieber nach unten.
Am dritten Tag drehte sich der Wind, der Himmel verdunkelte sich mit Regenwolken, und dann goß es wie aus Kannen. Aber es schien die Luft zu reinigen. Am Spätnachmittag wagte sich die Sonne wieder heraus und sah mehr wie früher aus, als ich sie in den letzten Monaten gesehen hatte.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang kam Madeira in Sicht, ein verschleiertes Grün weit nördlich meines Kurses. Bei Einbruch der Dämmerung tauchte dann auch die Nordwestküste Afrikas auf. Sie schien ziemlich normal, wenn man von ein paar Schlammflächen absah, die nicht auf der Karte eingezeichnet waren.
Während der Nacht hielt ich nördlichen Kurs, passierte Lichter, die ich als Casablanca und Rabat identifizierte, und erreichte Gibraltar im Morgengrauen. Der berühmte Stein war nicht mehr, dafür gab es einen neuen, etwa dreißig Kilometer breiten Kanal. Eine Strömung von gut fünfzehn Knoten ergoß sich durch die Straße von Gibraltar. Ich kämpfte gut zwei Stunden damit, bis ich endlich in ruhigeres Wasser unter dem Kap oberhalb von Tétuan kam.
Die Stadt sah recht friedlich aus – und nach vier Tagen auf See mußte ich ganz einfach einen Drink an Land haben. Ich legte an und winkte einem hageren Marokkaner zu, der mich groß anstarrte.
»Ich brauche etwas zu trinken«, erklärte ich ihm. Er nickte und führte mich einen Hang zu einem windschiefen Schuppen hinauf, den lediglich ein riesiges Pepsi-Cola-Schild noch zusammenhielt. Im Innern schob mir eine fette Frau warmes spanisches Bier über die Theke zu und wehrte die lästigen Fliegen mit einer roten Plastikklappe ab. Sie erzählte mir in schlechtem Spanisch ihre Sorgen. Sie hatte eine Menge, aber keine ärgeren als ich.
Der Mann kam mit zwei Jungen herein. »Schönes Boot, Señor«, sagte einer von ihnen bewundernd. »Wohin Sie fahren?«
Sie redeten eine Weile aufeinander ein und
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