Die Katastrophen-Welt
an der Tür und, als nichts zu hören war, trat hinaus – geradewegs vor die Mündung einer Maschinenpistole in Dörrpflaumes Hand.
12.
Er hatte zwei Begleiter. Alle drei trugen Klimaanzüge und Schneestiefel und blickten mich ausgesprochen unfreundlich an. »Vorwärts«, befahl Dörrpflaume barsch und stieß mich mit der MP. Durch weiteres Stupsen erfuhr ich die Richtung. Wir kamen zum Oberdeck, wo ein Kran gerade ein Fahrzeug aus dem Laderaum hob. Der eisige Wind schnitt durch meine Kleidung. Ich wandte mich meinem Oberwächter zu. »Du willst mich doch lebend an Ort und Stelle bringen?« Mein Gesicht war schon ganz steif, und ich konnte kaum noch die Lippen bewegen. »Es hat bestimmt minus fünfunddreißig Grad, und ich bin fast nackt.«
Dörrpflaume sagte etwas zu einem der beiden. Er stieg unter Deck zurück und kam fünf Minuten später mit einer Decke an. Ich wickelte mich ein wie Sitting Bull, aber viel half es nicht.
Pfläumchen wartete, bis der letzte Mann über die Reling und im Landeboot war, dann bedeutete er mir, mich ebenfalls zu bewegen. Wir mußten um ein größeres Maschinengehäuse herum. Von dort aus sah ich Junior auf dem Rücken liegen und mit blicklosen Augen in den Himmel starren. Das Blut um eine Brustwunde war gefroren.
»Dann ist er also doch nicht dazu gekommen, sich fortzupflanzen«, murmelte ich.
»Er war ein Verräter. Die Fortpflanzung wäre ihm in keinem Fall gestattet worden«, sagte Dörrpflaume fast indigniert.
Ein wenig Stupsen beschleunigte meine Klettertour in das Landeboot. Den letzten Meter oder so plumpste ich hinunter, weil ich auf der gefrorenen Strickleiter ausgerutscht war. Einer der freundlichen Herren stieß mich auf die Bank, dann quetschten Dörrpflaume und zwei seiner Untermänner sich neben mich. Die häßliche Maschinenpistole ruhte auf den Knien meines linken Nachbarn. Die Mündung deutete genau auf meine Hüfte, aber es interessierte mich nicht mehr. Ich versuchte nur, vergebens leider, mich zusammengekauert in meiner Decke warm zu halten. Jemand würde sehr verärgert mit Dörrpflaume sein, denn ehe wir unseren Weg durch acht Kilometer Eiswasser brachen, war ich erfroren. Ich wollte ihn darauf aufmerksam machen, dabei stieß ich mit dem Ellbogen versehentlich gegen die MP. Sie plumpste auf den Boden und rutschte davon. Der Kerl, der sie auf den Knien gehalten hatte, schlitterte ihr nach. Dörrpflaume wirbelte zu mir herum, kam halb auf die Beine ...
Ein verdächtiges Schleifen war zu hören. Das Boot schlingerte und glitt auf ein Eissims unter Wasser. Der Mann, der gerade die Maschinenpistole aufheben wollte, torkelte weiter und stürzte, ohne einen Mucks von sich zu geben, in das eisige Wasser. Pfläumchen wollte eben auf mich los. Ich lehnte mich ein wenig seitwärts zurück und gab ihm noch einen liebevollen Stoß, damit er ein wenig tiefer tauchen würde. Der dritte griff nach seiner Pistole, zog sie und ...
Das Boot zitterte, rutschte vom Eissims, und ein gewaltiger Wasserschwall schwemmte über die Seite und den Mann mit der Pistole, daß er sich prustend auf seinem Allerwertesten ausruhte. Der gleiche Schwall warf mich in das Eiswasser, das über Bord gespült war, und auf die nächste Schneekatze zu. Ich zog mich an ihrem Türgriff in die Höhe und hinein ins Innere, und schlug schnell die Tür hinter mir zu. Eine wundervolle Wärme stieg von dem dreißig Zentimeter von meinem Gesicht entfernten Gitter auf: Ein automatisches Heizsystem, das sich aktivierte, wenn jemand den Wagen betrat und die Tür schloß. Ich hatte verdammtes Glück, denn ich hätte es nicht bis zum Fahrersitz geschafft, um auf einen Knopf zu drücken.
Eine lange Zeit lag ich reglos auf dem Bauch und hoffte nur, sie würden mich nicht in die Kälte hinauszerren, ehe sie ihre Männer aufgefischt hatten. Ein bißchen Gefühl kehrte in meine Hände zurück. Meine Ohren und die Nase fühlten sich an, als bearbeiteten kleine Männchen sie mit Zangen und Schürhaken. Ich setzte mich auf. Die steifgefrorene Kleidung rieb. Meine Zehen begannen zu tauen. Ich zupfte das schmelzende Eis von meiner Decke und wand mein sich langsam erwärmendes Zeug aus.
Sie hatten sich immer noch nicht um mich gekümmert. Vermutlich nahmen sie an, ich sei ebenfalls über Bord gespült worden. Ich wagte einen Blick durch die Windschutzscheibe. Am Heck stand lediglich ein Mann, der mir bisher noch nicht aufgefallen war, und blickte auf das verschwindende Schiff zurück. Ich studierte die
Weitere Kostenlose Bücher