Die Katastrophen-Welt
Und sie hier.«
»Legenden«, brummte ich. »Sagen. Aber diese Killer sind keine Märchenfiguren, Ricia! Sie sind hier, jetzt! Und sie haben ein besonderes Interesse an dir. Warum? Du mußt doch etwas wissen, das ein bißchen Licht in die Sache bringen könnte.«
»Mal, Untermänner jetzt überall. Machen Menschen Sklaven. Wir hierbleiben, ruhig, leben, vergessen.«
»Ich würde keinen guten Sklaven abgeben, Mädchen. Ich hänge ein wenig zu sehr an meiner Unabhängigkeit. Verschweig mir jetzt nichts, ich muß alles wissen. Was kannst du mir noch über sie sagen? Und über dich?«
Ricia blickte mich betrübt an, aber sie gab nach. »Mal, du sitzen jetzt hier. Ich zeige viele Dinge.«
Ich setzte mich in den Sessel, auf den sie deutete. Sie schritt zur Wand und hantierte daran herum. Das Licht erlosch. In der Mitte des Raumes entstand ein Glühen. Es war mir unmöglich, zu erkennen, woher es kam. Es wuchs, bildete schleierfeine Formen, die fester wurden und schließlich eine Landschaft sonnenbeschienener Ebenen bildete, die sich bis zu bewaldeten Hügeln erstreckte. Etwas begann sich in ihrer Mitte zu bewegen – ein winziger, ferner Punkt, der wuchs und sich als galoppierendes Tier entpuppte. Im Vordergrund kamen mit dem Schwenken der Kamera Bäume in Sicht. Aus ihren Schatten trat ein Mann heraus. Er war hochgewachsen, dunkelhäutig, mit geschmeidigen Bewegungen, in hautengem schwarzen Anzug. Sein Haar war kurzgeschnitten. Er hielt etwas in der Hand, das eine Waffe sein mochte. Er rannte nun quer über den Pfad des herangaloppierenden Tieres, das ich noch immer nicht erkennen konnte. Jedenfalls aber war es groß, selbst aus der noch beträchtlichen Entfernung. Ein Pferd war es sicher nicht, dazu waren die Beine im Verhältnis zum Körper zu kurz. Ah, jetzt sah ich es besser. Es war ein schwarzer Elefant mit dem Rüssel eingerollt zwischen den beiden mächtigen Stoßzähnen.
Der Jäger wechselte die Richtung, er lief nun dem gewaltigen Bullen entgegen. Als der Elefant ihn sah, wurde er langsamer und blieb schließlich stehen. Er hob den Rüssel und schien zu trompeten. Da ich mir einen Stummfilm ansah, konnte ich das natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Der Mann, noch etwa fünfzig Meter entfernt, wirkte entsetzlich winzig gegen das riesige Tier, das gar nicht schwarz war, wie ich zuerst meinte. Es hatte nur ein so langes Zottelfell, das bis zu den Grasspitzen reichte und durch seine Fülle schwarz wirkte.
Der Fleischberg stand immer noch mit erhobenem Rüssel und offenem Maul und beobachtete den Näherkommenden aus kleinen rötlichen Augen.
Etwa fünfzehn Meter vor ihm blieb der Mann stehen. Er hob das Ding in seiner Hand an die Lippen, und ich sah, daß es ein Horn mit weiter Öffnung war. Der zottlige Elefant senkte den Rüssel ein wenig. Der Jäger kam näher heran. Wieder stieß er ins Horn. Das Mammut wiegte sich von Seite zu Seite, ohne einen Blick von dem Menschlein zu lassen, das möglicherweise eine Art Wiegenlied blies, das das Ungeheuer besänftigte, ja vielleicht gar hypnotisierte – nein, hypnotisiert wurde es auf andere Weise. Der Mann stand nun fest unmittelbar vor ihm. Er wiegte sich von Seite zu Seite, und der Elefant folgte seinen Bewegungen mit den Augen.
Plötzlich senkte der Jäger das Horn und machte eine sanfte Geste mit der Rechten. Der Zottelelefant tat einen Schritt rückwärts. Der Mann trat auf ihn zu und streckte die Hand aus. Der Rüssel rollte sich aus und berührte sie. Einen Augenblick später streichelte der Mann das mächtige Organ, das mit einem Zug eine hundert Jahre alte Eiche entwurzeln könnte. Dann griff er hoch, faßte nach einem Stoßzahn und zog sich daran empor. Einen Augenblick später saß er direkt hinter dem Schädel des Giganten.
Dem Mammut gefiel das nicht sonderlich. Es schüttelte den Kopf. Der Mann legte sich flach und hielt sich an den runden, nackt wirkenden Ohren fest. Eine halbe Minute tänzelte das schwere Tier herum, während sein Rüssel den Mann berührte, als sei es sich nicht recht klar, was es von dem Ganzen halten sollte. Plötzlich setzte der Mann sich auf, stieß die Absätze in den Hals des Riesen, und das Zehntonnenungeheuer machte sich in schaukelndem Trab auf den Weg, als hätte es das die ganze Zeit schon vorgehabt.
Das Bild verschwamm zu einem hellen Nebel und ich atmete lautstark ein. »Was, bei Barnum, Krone und Busch, war das? « rief ich.
»Mal schauen. Mehr!«
Der Nebel nahm wieder Form an. Diesmal zeigte sich eine Szene,
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