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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Erlaubnis entfernt hatte. Als schier
unerträglich empfand er, dass dieser Mann wieder in Gnaden bei Hof aufgenommen
und jetzt auch noch von der Königin beauftragt worden war, dem elenden Grafen
von Toulouse ein Friedensangebot zu unterbreiten.
    »Mit diesem Herrn lässt sich kein Frieden schließen!«, schimpfte
er, als die Abendmahlzeit aufgetragen wurde. »Er bietet den verdammten Ketzern
nach wie vor Auskommen und Unterschlupf und greift uns an, wo er es nur vermag.
Erst vor wenigen Wochen ist einer meiner Trupps in einen Hinterhalt geraten …«
Er winkte einen Bediensteten heran und flüsterte ihm etwas zu, ehe er
wutschnaubend fortfuhr: »… und wie Graf Raimund diejenigen, die er gefangen
nimmt, wieder zu uns zurückschickt, solltet Ihr mit eigenen Augen sehen.«
    Er deutete zur Tür.
    Am Arm des Bediensteten wurde ein Mann hereingeführt, dessen Kopf
wie der eines Sarazenen bei einem Wüstensturm verhüllt war. Im Saal war es sehr
still geworden.
    »Nimm dein Tuch ab«, befahl Beaujeu, als der Mann vor den Besuchern
an der erhöhten Tafel stand. Der Verhüllte riss sich den Stoff mit einem Ruck
vom Kopf.
    Clara sog hörbar die Luft ein. Das Gesicht bestand einzig aus
geröteter, vernarbter Haut und einem Mund. Nase und Ohren fehlten, und wo einst
Augen gewesen waren, klafften dunkle Löcher.
    »Das ist menschenunmöglich«, flüsterte Clara, die sich damit
einverstanden erklärt hatte, in Castelsarrasin als kastilische Edelfrau auf dem
Rückweg in die Heimat vorgestellt zu werden. Alles war besser, als dem
Statthalter vorzumachen, sie wäre seine Cousine und somit die Gemahlin des
Grafen von Champagne.
    »Ihr habt recht, verehrte Dame«, erklärte der Konnetabel, »aber der
Herr von Toulouse ist ja auch kein Mensch, sondern ein wahrer Teufel!
Irgendwann werden wir ihn schon seiner Heimstatt, der Hölle, zuführen!«
    »Wir sollten für seine arme,
verirrte Seele beten«, sprach der Bischof-Inquisitor, der verspätet an die
Tafel gekommen war und jetzt den Bediensteten anwies, den verunstalteten Mann,
der nur leise gestöhnt, aber kein Wort gesagt hatte, fortzuführen.
    Humbert von Beaujeu lachte. »Fürwahr, Ehrwürdiger Vater, so wie Ihr
für die Seele der Gräfin von Castelnaudery gebetet habt! Eine wunderbare
Geschichte! Erzählt sie doch unseren Gästen!«
    Bescheiden winkte der Bischof ab.
    »Solches war ein Glück für die katholische Kirche«, sagte er, »nicht
immer sind diese gotteslästerlichen Ketzer so leicht auszumachen.«
    »Und wodurch hat sich diese Dame verraten?«, fragte Theobald
neugierig.
    »Wir hegten schon seit Langem den Verdacht, dass sie eine Ketzerin
war, konnten ihr aber nichts nachweisen«, berichtete Humbert. »Schließlich
handelte es sich um keine einfache Weberin oder Bäuerin, sondern um eine Frau
von Stand. Da muss man natürlich höchst vorsichtig sein. Also beobachteten wir
sie weiter und warteten ab. Und dann fühlte die Dame ihr Ende nahen.« Er
kicherte, als hätte er einen Witz gemacht, »Uns kam zu Ohren, sie verlange nach
einem Perfectus, der ihr das Consolamentum spenden sollte. Nun, da haben wir
ihr einen geschickt …« Er nickte zu dem Dominikaner hinüber.
    »Es war keine große Tat«, versicherte der Inquisitor. »Der Herrgott
möge mir die Verstellung verzeihen, aber sie geschah in seinem Namen. Ich habe
mich als Perfectus, also als vollkommener Katharer, ausgegeben, das ketzerische
Dua principa gepredigt und der Gräfin alles erzählt, was sie hören wollte …«
    »Zum Beispiel?«, fragte Theobald.
    Der Bischof seufzte. »Ich verbreite nur ungern derlei Ketzereien«,
sagte er. »Die Einstellung dieser Häretiker zum Heiligen Kreuz ist allgemein
bekannt und sollte nicht wiederholt werden.«
    »Mit welcher Begründung, Ehrwürdiger Vater, lehnen diese Leute das
Kreuz des Heilands eigentlich ab, wenn sie doch Christen zu sein vorgeben?«,
fragte Theobald, ohne Clara anzusehen.
    »Für sie gehört das Kreuz zur satanischen Welt und besteht aus dem
gleichen Holz wie der Stab, mit dem Moses das Rote Meer geteilt hat«,
antwortete der Dominikaner mit sichtlichem Unbehagen. »Ausgemachte
Unsinnigkeiten zuhauf, wenn man nur bedenkt, wie viele Jahrtausende zwischen
den beiden Ereignissen liegen. Und dann auch noch die Vorstellung, dass die
Seele nach dem Tod in einen anderen Körper wandert, gar noch in den eines
seelenlosen Tieres, und die Menschheit somit erst dann Erlösung finden könne,
wenn sie aufhöre zu bestehen! Aber eben die fehlende Logik solcher

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