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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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mit dem Besuch
einer gerade erst geweihten Kirche, in die noch kein Mensch einen bösen
Gedanken hineingetragen hatte.
    Aber er hielt eine Ketzerin in den Armen! Wie konnten da derartige
Vorstellungen in ihm aufsteigen! Und doch war etwas Heiliges um jene
Handlung, die ihm bislang nur zur Befriedigung seiner Sinne gedient hatte.
    Solchermaßen verwirrt gaben beide jegliche Gedanken auf und sich
einander hin.
    »Wie geht es deinem Fuß?«, erkundigte sich Theobald, als
er am nächsten Nachmittag an Claras Seite ritt.
    »Er stinkt!«, erwiderte Clara. »Und das wird er wohl noch eine
Weile tun. Die Bauersleute haben mir frische Zwiebeln mitgegeben.«
    »Merkwürdige Bauern«, brummte Theobald und sah Clara von der Seite
her an.
    Sie mied seinen Blick.
    »Für mich waren das ganz normale Leute«, gab sie leise zurück.
    »Ja, für dich …«, bemerkte Theobald, »aber sicher nicht für Humbert
von Beaujeu, bei dem wir heute in Castelsarrasin nächtigen werden.«
    Clara erschrak. Der Konnetabel Humbert von Beaujeu war jener
Oberfeldherr, den Blankas Gemahl mit fünfhundert Rittern im Süden gelassen
hatte, um die Ketzer weiter zu verfolgen und dem Grafen von Toulouse das Leben
schwer zu machen. Ihm eilte der Ruf eines sehr gewalttätigen Mannes voraus, der
die Menschenjagd liebte und seine Hände gern an großen Scheiterhaufen wärmte.
    »Ich werde dich ihm gegenüber als meine Frau, seine Cousine Agnes,
ausgeben«, erklärte Theobald. »Die beiden haben sich nie gesehen, und eine
Begegnung in der Zukunft lässt sich verhindern.« Außerdem werden wir dann
wieder in einem Bett nächtigen können, setzte er für sich selbst hinzu, sehr
befriedigt, auf so mühelose Weise wieder den warmen weichen Leib Claras in
Beschlag nehmen zu können.
    Die hehren Gedanken der Nacht hatten sich bei Tageslicht in Luft
aufgelöst und der üblichen Begierde nach einem Frauenkörper Platz gemacht. Er
hätte nicht mehr sagen können, was in der vergangenen Nacht in ihn gefahren
war, der schmalen schwarzhaarigen Frau so viel Ehrfurcht entgegenzubringen,
Ehrfurcht, die einzig der Dame seines Herzens, Königin Blanka, gebührte. Neben ihr betrachtet, war Clara, wie auch
seine Frau Agnes, wenig mehr als eine Dirne unter vielen.
    Ebenso wenig hatte Clara den Zauber der Nacht in den Tag
hinüberretten können. Sie war vor Theobald erwacht und hatte im fahlen
Morgenlicht entsetzt auf den dicken nackten Mann neben sich geblickt, der mit
offenem Mund laut schnarchte. Nicht Theobalds Anblick hatte sie angewidert,
sondern das, was sie getan, was sie herausgefordert hatte. Schamlos hatte sie
sich ihm angeboten, sich seinen Liebkosungen entgegengereckt und war mit
höchster Wollust dem Werk des Teufels nachgegangen. Satan hatte in dieser Nacht
wahrlich ganze Arbeit geleistet.
    Das durfte sie nicht mit dem Sturz vom Pferd, mit zeitweiliger
Verwirrung oder einer anderen hinkenden Entschuldigung erklären. Sie war ganz
bei Sinnen gewesen. Sie hatte es gewünscht. Sie hatte es genossen. Sie hatte
wieder einmal ihren Glauben verraten und würde dafür büßen müssen.
    »Du kannst mich nicht als deine Frau ausgeben«, protestierte sie
vehement. »Einer deiner Ritter könnte mich verraten oder einer der Männer des
Konnetabels mich erkennen.«
    »Keiner wird es wagen, dich zu verraten!«, fuhr Theobald auf.
    »Ich werde mich nicht wie deine Frau verhalten«, sagte Clara leise.
    Theobald unterdrückte seinen Unmut. Sollte sich die sonst stets so
gradlinige Clara jetzt wie jedes andere verwöhnte Hofdämchen zieren und umgarnt
werden wollen? Waren alle Frauen wirklich gleich? Würde sie ihn zappeln, am
ausgestreckten Arm verhungern lassen? Er könnte den Spieß leicht umdrehen,
dachte er. Sie hatte sich an ihm genauso ergötzt, wie er sich an ihr, und sie
lechzte gewiss nach mehr. Wenn er sich ihr nur ein wenig entzog, würde sie um
weitere Sinnenfreuden betteln! Er wusste genau, wie man mit Weibern umzugehen
hatte!
    Ihre nächsten Worte trafen den Mann, der die Frauen so gut zu kennen
glaubte, völlig unvorbereitet.
    »Ich habe gestern Nacht gefehlt, Theobald«, flüsterte sie, »und dir
damit großes Unrecht getan. Verzeih mir, mein alter Freund. Ich hätte dich
nicht in solche Bedrängnis bringen dürfen. Es darf niemals mehr geschehen.«
    Darauf wusste er nichts zu erwidern.
    Graf Humbert von Beaujeu begrüßte Theobald mit verhaltener
Herzlichkeit. Er konnte sich noch gut an des Königs Zorn entsinnen, als sich
der Graf von Champagne in Avignon ohne

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