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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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gestehen.«
    Die Katharerin im Nebenraum blickte verblüfft auf, als sie
brüllendes Gelächter aus dem Nebenraum vernahm. Ihre Tochter, die ein Kind an
der Brust stillte, sah die Mutter erschrocken an. Die beugte sich vor und
wisperte: »Hab keine Angst. Wenn sie so lachen, töten sie nicht. Dann lachen
sie anders.«
    Theobald streckte sich genüsslich neben Clara auf dem Bett aus.
    »Meine liebe Frau«, sagte er, »diese Nacht dürfen wir beinand
verbringen, darf ich dich küssen, dir ein Lächeln abringen?«
    »Theobald«, sagte Clara bestimmt, während sie Zwiebeln auf die
Schwellung legte und den Verband darumwickelte, »mache jetzt bitte keine Witze
und keine dummen Verse. Du bist nicht bei Hofe. Ich musste doch eine Erklärung
dafür liefern, dass du meine nackte Wade gesehen hast.«
    Die Worte erregten ihn erheblich mehr, als es der Anblick der
nackten Wade getan hatte. Er streckte einen Arm aus und berührte Clara sanft am
Kopf. Sie zuckte zusammen.
    »Schmerzt dir der Fuß sehr?«, fragte er besorgt, setzte sich auf,
nahm das Öllicht vom Hocker neben dem Bett, zog behutsam das Schaffell zur
Seite und betrachtete die inzwischen fertig eingewickelte Angelegenheit sowie
die darüberliegende schlanke Wade.
    »Theobald!«
    »Ich bin dein Mann und mache mir Sorgen um das Wohlsein meiner
fußkranken Frau! Auf Recht und Pflicht verzicht’ ich nicht!«
    Er beugte sich vor, hauchte erst einen Kuss auf die Wade, liebkoste
sie mit der Zunge und wanderte mit seinen Lippen immer weiter nach oben.
    Clara blieb wie erstarrt liegen. So etwas Ähnliches hat er schon
einmal getan, dachte sie. Damals habe ich nichts gespürt. Jetzt scheint mein
Bein in Flammen zu stehen. Er soll aufhören! Er soll nicht aufhören! Wie
gut es tut, einem Menschen, diesem Menschen, den ich fast mein ganzes Leben
lang kenne, so nahe zu sein! Wie einsam ich doch gewesen bin!
    Theobald küsste die Innenseite ihres rechten Schenkels, stöhnte dann
kurz auf und zog den Kopf rasch zurück.
    »Verzeih mir, Clara«, raunte er, »die Versuchung ist sehr groß.«
    Clara erschrak über die Leere, die sich ihrer bemächtigte, als sich
Theobald weit von ihr ab auf die andere Seite des Bettes legte, offensichtlich
bemüht, sie in keiner Weise zu belästigen.
    Jetzt streckte sie den Arm aus. Leicht fasste sie ihm an die Brust.
    »Es wäre so schön, einmal im Leben wirklich einem Mann zu gehören«,
flüsterte sie und erzitterte vor den Worten, die ihr wie von selbst über die
Lippen gekommen waren und die sie sich nicht einmal zu denken getraut hatte.
Worte, die ihr Satan in den Mund gelegt hatte, wie sie später urteilen sollte.
    Doch jetzt, nach den Tagen einsamen Grübelns über ihre
Heimatlosigkeit und den undurchsichtigen Willen Gottes, nach ihrer Flucht vor
den Rittern des Königs, nach der Angst vor Verrat, nach dem Sturz vom Pferd,
jetzt stieg die süße Erinnerung an jene Zeit in ihr auf, in der die Welt ihr
einfach und übersichtlich erschienen war, weil sie sich um nichts gekümmert und
nichts verstanden hatte. Die Erinnerung an eine Zeit, in der die Liebe zu
Theobald für sie das Wichtigste auf Erden gewesen war und sie in ihrem Alltag
mit dieser Schwärmerei Erfüllung gefunden hatte. Ihre Finger streichelten
zärtlich die Stelle, unter der sein Herz schlug.
    »Ich möchte dir nicht wieder Gewalt antun«, erwiderte er genauso
leise und setzte hinzu: »Dafür habe ich dich zu lieb.«
    Schluchzend warf sich Clara an seine Brust, streckte sich lang aus,
sodass jeder Teil ihres Körpers den seinen berührte und der eingewickelte Fuß
an seinem ruhte.
    »Dann hab mich lieb!«, stieß sie unter Tränen hervor. »Wie ein
Mann seine Frau!«
    Dieser Aufforderung konnte der Troubadour nicht widerstehen. Und
doch sollte er etwas Seltsames an sich beobachten. Als er Clara umarmte und auf
den Mund küsste, ihr sanft über Brust und Bauch fuhr, bis er den Saum ihrer
dunklen Tunika erfasst hatte, staunte er darüber, wie wenig ihn diesmal die
Lust leitete. Gewiss, er war erregt und höchst begierig, durch jene Pforte zu
gehen, die er Jahre zuvor so brutal aufgestoßen hatte, doch gleichzeitig
überwältigte ihn ein bislang ungekanntes Gefühl der Zärtlichkeit. Ich muss
etwas gutmachen, dachte er, aber das allein war es nicht, was ihn so überaus
behutsam mit dieser Frau umgehen ließ. Auch nicht die Befürchtung, ihrem
schmerzenden Fuß zu nahe zu kommen. Es war ein Gefühl, das er am ehesten noch
mit einer religiösen Erfahrung in Verbindung bringen konnte,

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