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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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guttun. Er verstand es, Gedanken über Tod und
Trennung zu verjagen, und könnte in ihr vielleicht ein wenig Freude auf die
Festlichkeiten in Reims erwecken, wo sie und ihr Gemahl in zwei Wochen gekrönt
und gesalbt werden sollten. Ihm könnte es gelingen, ihre Angst zu vertreiben,
den vom Hof in sie gesetzten Erwartungen nicht gerecht und mit den umfänglichen
Vorbereitungen nicht beizeiten fertig zu werden. Es bekümmerte sie, um den
König, der ihr wie ein Vater gewesen war, nicht angemessen trauern zu können,
da es zu viel zu regeln gab.
    Sie lächelte Theobald aufmunternd zu, als sich dieser galant vor ihr
verneigte, die Drehleier hob und mit wohlklingender Stimme zu singen begann:
    »So schön in der Trauer, das Herze mir bebt,
in seliger Hoffnung, mir Eures Ihr gebt.
Mein liebloses Weib hab fort ich geschickt,
verlasse Euch nimmer, wenn huldvoll Ihr nickt.«
    Blanka nickte nicht huldvoll. Ihre schönen Bronzeaugen
verengten sich.
    »Graf Theobald!«
    Er erschrak. Sprach ihn Blanka förmlich an, war sie ernstlich
verärgert. Nichts fürchtete er mehr.
    »Was untersteht Ihr Euch!«
    Sie sprang von ihrem Sessel und deutete mit vor Zorn zitternder Hand
auf einen gleichartigen daneben.
    »Soeben beehrte mich die edle Königin Ingeborg. Dort hat sie
gesessen, sie, der großes Unrecht zugefügt wurde. Und da wagt Ihr es, mir unter
die Augen zu treten und mit einem lächerlichen Lied die Verstoßung Eurer edlen
Gemahlin kundzutun?«
    Oft hatte Theobald die Süße der Stimme Blankas besungen. Derart vom
Zorn Junos geprägt, hatte er sie allerdings noch nie vernommen.
    »Verschwinde! Fort! Geh mir aus den Augen, du schändlicher
Verräter!«
    Clara, die frohen Herzens vor Blankas Kemenate angekommen war, hielt
erschrocken inne und sah den Hofbeamten neben der Tür aus großen hellgrauen Augen
an.
    »Graf Theobald«, flüsterte der. »Er scheint den Unmut der hohen Frau
Königin auf sich gezogen zu haben, der Bejammernswerte.«
    »Nein!«, schrie Clara. Sie vergaß jegliche Etikette, stieß die Tür
auf, hob die Hände und rief: »Verzeih ihm, Blanka, er kann nichts dafür;
folgt er doch nur den Befehlen seines Herzens!«
    Theobald sandte ihr einen so dankbaren Blick zu, dass ihr eigenes
Herz gänzlich dahinschmolz. Ihre Knie zitterten derart, dass sie mit beiden
Händen am Türrahmen Halt suchte und somit für niemanden ein Durchkommen war.
    Theobald fiel vor Blanka auf die Knie.
    »Gnade«, flüsterte er. »Schickt mich nicht fort, Herrin. Verzeiht
mir! Meine Freundin Clara spricht wahr. Die Liebe hat Besitz von mir
genommen, ihr kann ich nirgendwo entkommen.«
    Innerlich fluchte er über den Reim, der ihm wie zwangsläufig über
die Lippen gekommen und seiner ehrlichen Verzweiflung nicht angemessen war.
Unüberlegt setzte er rasch hinzu: »Weshalb ich um Euren gnädigen Segen für
meine Wiederverheiratung bitte.«
    Claras Finger krallten sich in das Holz des Türrahmens. Weiß traten
ihre Knöchel hervor. Rote Flecken breiteten sich auf ihrem Gesicht aus, und sie
vermeinte, vor Glück sterben zu müssen.
    »Erhebe dich, Unseliger«, forderte ihn Blanka auf und setzte ohne
Umschweife hinzu: »Verrate uns doch, welche Dame du erwählt hast.«
    Theobald erhob sich ungelenk wie ein Greis. Lange starrte er
unverwandt in die eiskalt gewordenen Augen der geliebten Königin. Dann seufzte
er tief, verlagerte den Blick auf die neben ihr stehende Hofdame und
improvisierte tonlos: »Die edle Jungfer Agnes von Beaujeu, hohe Herrin, soll
die Meine werden, so ihr verehrter Herr Vater das gestattet, Ihr und Euer
Gemahl uns Euren Segen dazu gebt und sie selbst auch nichts sehnlicher
erwünscht.«
    Die sanftmütige Agnes von Beaujeu starrte ihn genauso fassungslos an
wie er sie.
    Ablehnen! ,
flehte sein Blick, den sie anders deutete. Heftig nickend gab sie stumm ihre
Zustimmung. Keine Frau mit Sinn und Verstand hätte den Antrag dieses schönen
Troubadours aus allerbestem Haus, des bedeutendsten Vasallen des Königs, ablehnen
können. Überaus geschmeichelt verdrängte Agnes die Frage, weshalb er ihr nicht
schon früher den Hof gemacht hatte.
    Die Ratlosigkeit in Blankas Blick entschädigte Theobald beinah für
seine zweifellos folgenreiche Voreiligkeit. Rasch nahm er die Gestalt der
soeben zur Braut Erkorenen in Augenschein und befand, es gäbe hässlichere
Frauen; zum Beispiel die just verstoßene.
    Niemand achtete auf Clara, die an der Türschwelle in sich
zusammengesunken war, verzweifelt nach Luft schnappte und wie von Sinnen

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