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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Frage.
    »Clara. Wunderschön.«
    Wie du , hatte Theobald einmal dem gleichen Wort hinzugesetzt, als sie
sich über ihren allzu schlichten Namen beklagt hatte. Das sagte Felizian nicht,
aber sie las die Worte in seinem Blick, und das tat ihr in der derzeitigen
Verfassung ausnehmend gut.
    »Zu einer Versammlung«, sagte er und setzte leise hinzu: »Du bist
eingeladen, wenn du willst. Vielleicht kann dir das in deiner Not helfen.«
    Und vielleicht kann sie mir helfen.
    Ein bisher ungekanntes Entzücken stieg in ihm auf, als sie ihm ihren
Arm reichte. Ein solches Entgegenkommen hatten ihm nicht einmal die reichsten
Träume der vergangenen Monde beschert. Er vergaß, dass er Clara hatte
wiederfinden wollen, um die Gedanken an sie loszuwerden. Jetzt hätte er sie am
liebsten nie mehr losgelassen. Beim Gang durch die verdreckten engen Gassen von
Paris stieg dem Mann aus dem Süden erstmals nicht der Geruch verfaulenden Mülls
und menschlicher Exkremente in die Nase. An Claras Seite vermeinte er den Duft
der Lavendelfelder seiner Heimat zu riechen.
    Als Clara viele Stunden später durch einen Hintereingang
wieder in den Palast huschte, war Königin Blanka gerade durch den Haupteingang
eingetreten. Sie hatte am Gebet des Generalkapitels der Zisterzienser des
Ordens von Citeaux teilgenommen, zu dem sie auf ihre Bitte hin zugelassen
worden war. Schon vor Zeiten hatte sie den heiligen Bernhard als Vorbild
erwählt, dessen Sanftmut, Ritterlichkeit, diplomatisches Geschick und Redekunst
sie ansprachen.
    Sie genoss die nächtliche Stille auf dem langen Flur, der von ein paar
flackernden Öllichtern an den Wänden schwach erhellt wurde, und lenkte ihre
Schritte zu Ludwigs Gemach. Es mochte noch so tiefe Nacht sein; ohne zumindest
einen Kuss ihres Gemahls konnte sie nicht einschlafen.
    Überrascht, zu dieser späten Stunde noch Stimmen in seiner Kammer zu
hören, blieb sie einen Augenblick vor der Tür stehen.
    »Du musst ihn unverzüglich des Hofes verweisen, Ludwig! Und zwar
auf unbestimmte Zeit!«
    Blanka versteinerte. Wenn Königin Ingeborg, des Königs Stiefmutter,
laut wurde, musste es sehr ernst sein. Noch nie hatte sie etwas von dem jungen
Paar gefordert, sich bei ihnen niemals über einen Menschen am Hof oder ihr
eigenes Schicksal beklagt. Nach Blankas Kenntnis war ihr nicht einmal über
ihren Gemahl, der sie jahrelang eingesperrt hatte, je ein böses Wort über die
Lippen gekommen.
    Beunruhigt darüber, wer ihr Missfallen erregt haben mochte, stieß
Blanka nach kurzem Klopfen die Tür auf.
    Ludwig, der vornübergebeugt auf einem breiten kastilischen
Holzsessel Ingeborg gegenübersaß, wandte sich um. Schwermut und Sorge schwanden
aus seinem Blick. Als er aufsprang, fiel ihm eine breite blonde Haarsträhne in
die Stirn. Er schob sie zurück und legte das offene schöne Jünglingsgesicht
frei, das Blanka immer wieder aufs Neue rührte.
    »Schau her, geliebte Frau, wer uns heute Abend mit einem Besuch
ehrt!«
    Blanka verneigte sich vor Ingeborg, schlang die Arme um ihren Mann,
drückte ihn wieder in den Sessel, setzte sich auf seinen Schoß und kam sofort
zur Sache: »Wer soll für alle Zeiten des Hofes verwiesen werden?«
    »Graf Theobald«, erwiderte Ludwig stumpf.
    »Aus welchem Grund?« fragte Blanka überrascht. Flüchtig dachte sie
an den Vorfall in ihrer Kemenate. Ein schlichtes Ärgernis, kein Grund, einen
getreuen Vasallen auf ewig des Hofes zu verweisen. Sie hatte den jungen Grafen
ehrlich empört in seine Schranken gewiesen, wobei es ihr allerdings immer noch
schwerfiel, Theobald als Herrn über die Champagne zu sehen. Für sie würde er
wohl immer der rundgesichtige schwärmerische Knabe bleiben, den eine ehrgeizige
Mutter – die übrigens gleich ihr Blanka hieß – einst an den französischen Hof
geschickt hatte, um Verbindungen fürs spätere Leben zu knüpfen. Schließlich war
er aus gutem Grund das Patenkind König Philipps. Blanka hatte das dreijährige
Kind bedauert, das aus reiner Berechnung einer ruhmsüchtigen Mutter seiner
vertrauten Umgebung entfremdet worden war, und sich liebevoll seiner
angenommen. Später hatte sie sein Sangestalent erkannt und gefördert; ihn
vergnügt als Troubadour ihr Hohelied singen lassen. Er war ein fröhlicher
Gesell; wie nur sollte er für den königlichen Hof eine Gefahr darstellen?
    Sie löste das über den Ohren unangenehm straff sitzende Kinnband von
ihrer Kopfbedeckung, um deutlicher hören zu können.
    »Was sollte Theobald uns schon antun wollen?«, fragte

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