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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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genau erkannt haben, mit wem
Blanka gereist war. Ein Wort von ihr, und Felizian würde brennen.
    Königssohn. Spätestens jetzt musste auch er wissen, wer Blanka war.
    »Gebt ihr etwas zu trinken. Das arme Ding ist weit geritten und der
Erschöpfung nahe«, sagte Königin Ingeborg, die es verstand, jeder Lage die
Peinlichkeit zu nehmen. Und die Claras Gedanken mit weitaus weniger Mühe
gelesen hatte als die Felizians.
    »Nicht ich, sondern gute Menschen haben Karl gerettet«, murmelte
Clara, als sie sich auf der Bank neben Blanka niederließ und dankbar den Kelch
Wein in Empfang nahm, den ihr ein Diener reichte.
    »Da sind sie wieder, die guten Menschen.« Ingeborgs Stimme klirrte
noch nordischer als sonst. Blanka blickte überrascht auf.
    »Es waren wirklich gute Frauen, verehrte Mutter. Die sich auf ihr
Fach verstehen.«
    »Auf das Handwerk des Gutseins!« Das Echo von Ingeborgs Gelächter
hallte in dem hohen Raum wider. »Wie haben sich diese Frauen denn bezahlen
lassen?«
    »Ich habe ihnen meine goldene Schließe und noch viel mehr
angeboten«, antwortete Blanka.
    »Und?«
    »Sie wollten nichts. Für die Schließe haben sie mir ein ziemlich
elendes Pferd besorgt.«
    »Und sonst?«, wandte Clara ein.
    Blanka griff nach ihrem Arm.
    »Ich bin froh, dass du dies sagst! Du hast vorher schon erwähnt,
dass sich diese Frauen nichts aus Geld und Schätzen machen. Dass ich ihnen aber
helfen könnte. Mit …« Blanka blickte Clara ratlos an, ergriff ihre Hand,
drückte sie fest und rief verzweifelt in die Runde blickend: »Ich habe es
vergessen!«
    »Mit einem Wort«, erwiderte Clara tonlos.
    »Ja.« Blanka atmete tief aus. »Das war es. Ein Wort. Aber welches,
und wie soll es ihnen helfen können?«
    Zum ersten Mal sah Clara Felizian offen an. Er verstand.
    »In Eurer Welt, verehrte hohe Frau«, sagte er zu Blanka, »gelten
Gelübde viel.«
    »Lebt Ihr denn in einer anderen Welt?«, unterbrach ihn Blanka,
leicht ungehalten.
    »Leider nicht. Darf ich, Clara, deinen Wunsch in Worte fassen?«
    Sie nickte eilig. Felizian, der Edle aus Carcassonne, war im
Ausdruck des Wesentlichen viel gewandter als sie.
    »Jungfer Clara meint«, fuhr er fort, »dass diesen Frauen, die
erfasst haben, woran es Eurem Sohn mangelt, mit einem Wort, Eurem Wort,
geholfen werden kann.«
    »Tu es bitte, Blanka!«, rief Clara. Sie war erschöpft von dem
langen Ritt, zwar erleichtert, unbeschadet angekommen zu sein, aber zu ermüdet,
um ihre Worte abzuwägen.
    »Gern verspreche ich alles, was ich halten kann und was diesen
Frauen zu helfen vermag«, erwiderte Blanka verwundert.
    »Am besten in Anwesenheit eines Geistlichen!«, rief Clara und sah
Felizian an. Der hob eine Augenbraue und schüttelte schwach den Kopf. Es war
eine Sache, einem Nicht-Katharer zum Schutz der Glaubensgemeinschaft ein
Gelübde vorzuschlagen, aber eine gänzlich andere, dafür einen katholischen
Priester, einen Vertreter satanischer Gewalt, hinzuzuziehen.
    »Gern«, sagte Ingeborg, in gewisser Hinsicht über das Ansinnen
amüsiert. Sie winkte einen Bediensteten zu sich und gab ihm den Auftrag, den
alten Vater Elias zu wecken, der ihrer Schlosskapelle vorstand.
    Der tauchte wenig später verschlafen in der Königshalle von
Ingeborgs Residenz auf und fragte, mühsam sein Gähnen unterdrückend, wie er zu
dieser späten Stunde zu Diensten sein könne.
    Ingeborg nickte Clara aufmunternd zu.
    Die stand auf, räusperte sich kurz und fragte den Geistlichen, auf
Blanka deutend, ob er wisse, wen er vor sich habe. Der schüttelte den Kopf und
beklagte murmelnd sein Unwissen. Sein armer alter Geist sei gänzlich von Gottes
Gnaden ausgefüllt, weshalb dort kein Raum sei, sich die Namen jener Menschen zu
merken, die ihm im Verlaufe seines so langen Lebens vorgestellt worden seien.
Doch sie alle seien Kinder Gottes, und nur dieses sei von Belang.
    Diese kurze Ansprache schien seine Kräfte schon fast zu überfordern.
Schwer schnaufend stützte er sich an einem Wandvorsprung ab.
    »Ich bin Blanka, Königin von Gottes Gnaden«, stellte sich Ingeborgs
Gast selbst vor und forderte Clara auf, fortzufahren.
    »Meine Herrin«, sagte Clara, »möchte ein Gelübde ablegen. Sie will
Gott danken, der ihren Sohn von schwerer Krankheit geheilt hat. Sein Werkzeug
waren …« Sie hielt einen Augenblick inne, »… gute Menschen«, fuhr sie beherzt
fort. Dann griff sie nach beiden Händen Blankas, sah der Freundin tief in die
Augen und sprach so schnell, dass der schlaftrunkene Priester die Worte

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