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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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gar
nicht aufnehmen konnte: »Doch diese Frauen gehören einer gottgefälligen
Gemeinschaft an, deren Dasein bedroht ist. Meine Freundin wird geloben, alles
zu tun, um diese Leute künftig vor jedweder Verfolgung zu schützen.«
    Blanka, deren Augen riesengroß geworden waren, riss sich von Clara
los, wirbelte herum und blickte von Felizian zu Ingeborg. Jetzt erst begriff
sie wirklich, was sie zuvor zwar als Ahnung
beschlichen, aber schleunigst verdrängt hatte. Jetzt konnte sie nicht
mehr so tun, als wüsste sie nicht, welche Menschen ihrem Sohn geholfen hatten.
    »Das kann ich nicht«, flüsterte sie heiser. »Das wäre unrecht.«
    Alle blickten zu Boden. Die Stille im Raum wurde unerträglich. Vater
Elias rieb sich die Augen. Seine müden Knie zitterten. Unter Ingeborgs
nachsichtig amüsiertem Blick trat er einen Schritt vor, taumelte etwas, suchte
mit einer Hand Halt an einer hohen Stuhllehne und schlug mit der anderen das
Kreuz über Blanka.
    »Du gelobst es?«, brach er das schwer lastende Schweigen, ohne zu
begreifen, was für ein Gelübde die Königin eigentlich ablegen sollte. Er
brauchte es auch nicht zu wissen, das war eine Sache zwischen dieser Frau und
Gott.
    »War es recht, deinen Sohn zu retten?«, fragte klirrend eine
vertraute weibliche Stimme.
    »Ja«, antwortete Blanka.
    »Amen«, versetzte Vater Elias, schlug wieder das Kreuzzeichen über
Blanka und sah dann Königin Ingeborg so unglücklich an, dass diese ihm
freundlich riet, seine Bettstatt wieder aufzusuchen.
    »Wie kann ich ein solches Gelübde einhalten?«, fragte Blanka
ratlos und schlug die Hände vors Gesicht. Ihr war, als erwachte sie aus einem
bösen Traum.
    »Mit Gottes Hilfe«, schlug Felizian vor. Blanka funkelte ihn wütend
an.
    »Was untersteht Ihr Euch!«
    »Verzeiht, edle Königin, aber ich frage Euch: Sind wir nicht alle
auf des Himmels Hilfe angewiesen?«
    »Was habt Ihr mit meiner Clara gemacht?«, fuhr ihn Blanka an. »Wie
konntet Ihr es wagen, ihr Eure ketzerischen Gedanken einzupflanzen? Solche
gar in das Haus des Königs zu bringen?«
    »Das hat er nicht«, sagte Clara eilig, »lass es mich dir erklären.«
    Blanka griff nach dem Korb mit ihrem friedlich schlafenden Kind.
Sanft strich sie über seine rosigen Wangen.
    »Du musst mir noch eine Menge erklären«, gab sie müde zurück. »Aber
meine Ohren haben heute schon zu viel gehört. Und nicht nur sie schmerzen mir.
Lege morgen Rechenschaft ab, wenn wir nach Paris zurückkehren.«
    Es wurde ein sehr ungemütlicher Heimritt. Und das lag
nicht nur an dem Schneeregen, der unterwegs plötzlich einsetzte. Felizian, der
auf dem schäbigen Gaul eine erstaunlich gute Figur abgab, hielt sich weit
hinter den beiden Frauen, die so viel zu bereden hatten. Er hätte Clara am
Vorabend gern abgehalten, der Königin ein Gelübde abzunötigen, das diese weder
gewünscht hatte noch einzuhalten imstande war. Und er selbst hatte sich als
Katharer versündigt, ihr zu diesem Eid zu raten, auch wenn es um das Überleben
seiner Gemeinschaft ging.
    Sicher, auch er wusste um die Macht der hohen Frau, an die sich so
viele weltliche und geistliche Führer wandten, um etwas vom König zu erbitten.
Doch welche Möglichkeiten hatte sie schon, sich gegen Papst und Ehemann
durchzusetzen, wenn diese wieder einen Kreuzzug gegen die Katharer führen
würden? Und dass ein solcher anstand, ließ der angekündigte Besuch des
päpstlichen Legaten ahnen, den Clara ihm flüsternd mitgeteilt hatte.
    Aber vor allem fürchtete Felizian die Gefahr, in die sich Clara
durch ihre Offenbarung begeben hatte.
    Könnte er sie doch nur vor sich selbst schützen! Er liebte sie,
liebte ihren ungestümen Geist und die Widerspenstigkeit, die ihr keine
Erziehung hatte austreiben können. Er liebte ihre Seele, diesen streitbaren
Engel, der in den vergangenen drei Jahren so bemüht um die Wahrheit gerungen
hatte. Er wusste, dass auch sie ihn liebte, darüber musste weder gesprochen noch
gar verhandelt werden. Beide hatten erkannt, dass diese Liebe auf Erden keine
Zukunft haben durfte. Und so liebte er sie am meisten dafür, ihn nicht unter
einen Druck zu setzen, dem er wohl nicht hätte widerstehen können.
    Sorgsam verbarg er vor ihr, dass ihn gerade ihre Großzügigkeit an
manchen katharischen Lehren zweifeln ließ. Er war zu redlich, als dass er in
einer Frau, an der er nichts Teuflisches zu entdecken vermochte, das Werkzeug
Satans erkennen wollte. Aber ihr Erscheinen in seinem Leben zögerte seine
Geisttaufe hinaus – er

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