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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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fühlte sich immer weniger geeignet, zum Perfectus
geweiht zu werden. Zumal er über seine nächtlichen Träume, in denen ihm Clara
als Geliebte erschien, keine Gewalt hatte. Erschöpft wachte er des Morgens auf,
voller Sehnsucht nach dieser Frau und voller Entsetzen, wie viel stärker er
ihre Nähe verspürte als die Gottes.
    Clara selbst hatte inzwischen viele Glaubenssätze der Katharer
verinnerlicht, auch wenn sie manches immer noch ablehnte. Zum Beispiel mochte
sie auf die Sakramente nicht verzichten. Sie hatte sich überrascht gezeigt, als
Felizian und ihre anderen neuen Freunde das nicht verwerflich fanden, sondern
sie darin bekräftigten, ausschließlich zu tun, was das Herz ihr eingebe. Clara
hatte sich nicht mit ihrem persönlichen Bekenntnis zur katharischen Kirche
begnügt, sondern war auch öffentlich zur Credens geworden. So nannte sich ein
einfacher Anhänger der katharischen Kirche, der dieser dann durch die Zeremonie
der Convenza beitrat.
    Sie hatte sich feierlich verpflichtet, Perfecti zu respektieren, sie
zu ehren und ihnen zu helfen. Dafür erhielt sie die Zusicherung, dass eine
Perfecta ihr an ihrem Sterbebett das Consolamentum spenden, also ihr die Tür
zum Himmelreich aufstoßen würde. Credentes waren nicht an die zahlreichen Einschränkungen
der Perfecti gebunden. Viele Credentes ließen sogar ihre Ehen von der römischen
Kirche segnen, ihre Kinder taufen, und um nicht aufzufallen, gingen manche gar
zur Beichte. Ein schlechtes Gewissen brauchten sie dabei nicht zu haben.
    »Es sind ganz normale Menschen«, sagte Clara jetzt zu Blanka.
»Früher habe ich auch geglaubt, sie wären finstere Gestalten, die darauf
lauerten, guten Christenmenschen Böses anzutun und ihre Seelen zu verderben. Du
weißt ja, was man uns für fürchterliche Dinge über sie erzählt …«
    »Ich habe ihr Brot gegessen«, sagte Blanka, »und ich glaube kaum,
dass sie es aus Mehl und dem Samen der Jungfrau oder dem Blut des Knaben
machen. Und wahrscheinlich küssen sie auch nicht den Hintern der großen Katze,
wie manche ihr Mysterium der Verderbnis nennen. Dennoch sind sie für unser Volk
gefährlich, denn mit ihrer Ablehnung des Heiligen Vaters untergraben sie
jegliche Autorität.«
    »Ihre Vorstellung von der Welt und dem Himmel weicht von unserer
ab«, entgegnete Clara, noch nicht in der Lage, sich der Freundin gegenüber ganz
zu offenbaren. Sie fürchtete Blankas entscheidende Frage, hoffte einerseits,
sie umschiffen zu können, andererseits wünschte sie fast, endlich mit der
Wahrheit herausrücken zu dürfen. »Ansonsten leben und arbeiten sie wie wir
alle. Sie haben nur etwas andere Ansichten …«
    »Etwas andere Ansichten!« Blanka zügelte ihr Pferd und funkelte
Clara an. »Weißt du, wie viele unserer Edlen von ihnen ermordet worden sind?
Wie viel Unheil sie über die Christenheit bringen?«
    »Sag mir doch, was sie Verwerfliches tun!«, rief Clara. »Nicht sie
haben uns überfallen, sondern wir sie. Katharer morden nicht! Sie töten ja
nicht einmal Tiere, um sie zu essen!«
    »Da spricht die Tochter des Grafen von Toulouse!«
    »Mein Vater hat sein Volk geschützt, wie es mein Bruder jetzt auch
tut.«
    »Und wir haben deinen Bruder viel zu lange geschützt!« Blanka ritt
nah an Clara heran und fauchte ihr ins Gesicht: »Ich werde mich mühen, mein
Gelübde zu halten! Schon, weil es um dich geht und ich dich retten möchte. Du
sprichst immer von ihnen ,
aber du selbst gehörst doch auch dazu! Du bist eine Häretikerin!«
    Da war es. Das Unvermeidliche.
    »Ja«, gab Clara leise zu. »Ich gehöre zu ihnen. Und da du es jetzt
weißt, muss ich um meinen Abschied von deinem Hof bitten.«
    »Wo willst du denn hin?«, fragte Blanka verblüfft.
    »In den Süden«, erwiderte Clara und setzte hinzu: »Mit Felizian.«
    Bei diesen Worten kehrte endlich Frieden in ihr ein. Felizian hatte
ihr in der vergangenen Nacht offenbart, in sein heimatliches Carcassonne
zurückreisen zu wollen. Er betrachte es als seine Pflicht, endlich
heimzukehren, dort zu leben, wo er sich nicht zu verstecken brauchte, und die
Seinen zu unterstützen.
    Bei dieser Verkündung war eine nie zuvor gekannte Leere in Clara
aufgestiegen. Ohne Felizian konnte und mochte sie sich ihr Leben nicht mehr
vorstellen. Natürlich hatte er sie nicht um ihre Begleitung gebeten, und Clara
war sich nicht einmal sicher, ob er diese annehmen würde. Aber sie spürte, dass
ihre Zeit am französischen Hof abgelaufen war. Sie gehörte dort nicht länger
hin, wollte ihre

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