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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verbrennen lassen, die ein goldenes Kalb anbetet! Hast du mich
verstanden?«
    Lisette verstand zwar nicht, was ein goldenes Kalb mit ihrem Verlangen
nach einem Gefährten zu tun hatte, der wie König Ludwig aussah, aber sie nickte
heftig, warf sich Ingeborg zu Füßen und flehte mit gesenktem Haupt um Gnade.
    Die alte Königin scheuchte Lisette fort und zieh sich des Fehlers,
den so viele Monarchen begehen, die sich an die göttliche Weisheit hielten,
wonach das Volk für den König da zu sein habe. Auch sie hatte nicht in Betracht
gezogen, dass eine zu bestimmten Zwecken aus ebendiesem Volk hervorgehobene
Magd plötzlich eigene Gedanken entwickeln und gar Ansprüche anmelden könnte.
Sie fragte sich, ob sie die Frau nicht vielleicht doch auf kürzestem Weg zum
Teufel schicken sollte, ehe sie möglicherweise Unheil anrichtete. Aber nach
Ingeborgs Schicksalswissen stellte Lisette keine wirkliche Gefahr dar, und die
Regelung gestattete Blanka tatsächlich eine bis dahin ungeahnte Freiheit.
    Schon deshalb hatte Ludwig die Frauen gewähren lassen, sich jedoch
ausbedungen, die Angelegenheit mit höchster Diskretion zu behandeln und an
seiner Seite nie die Nachbildung erscheinen zu lassen. Das wäre für Blanka auch
undenkbar gewesen. Aber während jener Monate, in denen Ludwig in England um sein und ihr angestammtes Recht kämpfte,
war sie dankbar für eine Lisette, die Ausritte machte und sich vom Volk
huldigen ließ, während die tatsächliche Königin mit ihren Kindern spielen, sich
in erbauliche Lektüre vertiefen und ihrem Gemahl liebevolle Briefe in die Ferne
schicken konnte.
    Natürlich war es ausgeschlossen, den Legaten des Heiligen
Vaters, der Blanka zudem sehr gut kannte, mit ihrer Doppelgängerin neben sich
zu empfangen.
    »Veranlasse, dass meine Gemahlin augenblicklich zurückkehrt!«,
schnauzte Ludwig Clara an.
    Clara eilte zum Marstall und ließ sich einen Zelter geben. Den der
Königin durfte sie nicht einfordern. Sie hoffte, Blanka würde von ihrem Gemahl
ungesehen in die Cité einreiten können, und überlegte auf dem Ritt zum Haus der
Katharer, welche Ausrede sich die Königin einfallen lassen könnte, nicht das
eigene Pferd benutzt zu haben. Größer aber war ihre Sorge, eine untröstliche
Blanka über den toten Körper ihres Sohnes gebeugt zu finden; eine Königin, die
um nichts in der Welt zu bewegen war, zum Palast zurückzureiten, um einen
Stellvertreter des Stellvertreters jenes höchsten Herrn zu empfangen, der den
Tod ihres Kindes nicht verhindert hatte.
    Vor dem windschiefen Holzhaus der katharischen Frauen wagte sie es
nicht, das kostbare Pferd festzubinden und unbewacht zu lassen. Es am Zügel
haltend, rief sie laut: »Ist jemand zu Hause?«
    Eine junge Frau öffnete ein Fenster und schloss es sofort wieder.
    Clara hörte Getrappel auf der Treppe. Die schwarz gekleidete
Katharerin machte die Tür auf, sah Clara mit einem verzweifelten Kopfschütteln
an und wollte sie ins Haus ziehen. Clara deutete auf das Pferd.
    »Ich kann es hier nicht allein lassen. Was ist mit meiner Freundin
und ihrem Kind?«
    »Sag, wer ist sie, deine Freundin?«
    »Was spielt das für eine Rolle? Geht es ihr gut? Was ist mit
ihrem Kind?«
    »Wie kommst du an ein so teures Tier? Gehört es etwa auch ihr?«
    Clara zögerte, erwiderte dann: »Ja.«
    »Uns wollte sie mit der goldenen Schließe ihres Mantels bezahlen.
Was ist das für eine Frau, die den Wert eines Lebens mit Gold aufwiegen
will?«
    »Ihr Sohn ist gesundet?«
    »Wir haben den Körpern das Gift entzogen. Das war alles. Mit dem
Gold der Schließe haben wir ihr ein Pferd gekauft. Damit ist sie am Abend mit
ihrem Kind losgeritten.«
    »Ganz allein?«
    »Sie hat zwar darauf bestanden. Aber wir haben Felizian geholt.«
    Clara mühte sich, ruhig zu bleiben.
    »Der hat doch kein Pferd.«
    »Das ist nicht unsere Sorge. Wer ist diese Frau?«
    »Eine Freundin«, murmelte Clara, »das habe ich doch schon gesagt.«
    »Sie war in Not, und so haben wir ihr geholfen. Sie hat keinen Hehl
daraus gemacht, dass sie uns und unser Tun verabscheut, auch, wenn sie nichts
dergleichen gesagt hat. Weil es ihr so wichtig war, haben wir ihr sogar ein
Kreuz gebracht.«
    Ein großes Opfer, dachte Clara, aus übergroßer Angst dargebracht.
    »Und jetzt fürchten wir, dass sie uns schaden und verraten wird.«
    »Nie und nimmer. Sie wird euch Schutz gewähren. Das verspreche ich«,
versicherte Clara eilig und bestieg den Zelter.
    Sie kannte den Weg nach Corbeil, wo Königin Ingeborg

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