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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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wenig später für seinen Glauben vor den Augen
König Ludwigs auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte.
    »Segne uns, habe Erbarmen mit uns, Amen. Lass dies uns teilhaftig
werden nach deinem Wort. Möge der Vater, der Sohn und der Heilige Geist uns
alle unsere Sünden vergeben.«
    Leise erwiderte Felizian ein paar Worte, und dann erklang wieder die
Stimme des Bischofs: »Felizian, du begehrst, die geistige Taufe zu erhalten,
durch die der Heilige Geist in der Kirche Gottes gespendet wird, zusammen mit
dem Heiligen Gebet und der Handauflegung durch Gute Menschen.«
    Felizians Stimme klang fest, als er dem Bischof Fragen nach seinem
Lebenswandel, seiner Beziehung zur katharischen Kirche beantwortete und
gelobte, auf Fleisch, Völlerei, Stehlen, Ehebrechen, Lügen und Schwören zu
verzichten. Er beteuerte, keine Schulden bei der katharischen Kirche zu haben,
und versprach, seine Wange denen hinzuhalten, die ihn verfolgten. Zum Schluss
versicherte er, ganz gleich, was geschehe, seinen Glauben werde er auch unter
Folter und Todesandrohung niemals aufgeben.
    »Diese heilige Taufe«, sprach Pierre Isarn laut weiter, »durch
welche der Heilige Geist gespendet wird, hat die Kirche Gottes seit den
Aposteln bis in diese Zeit bewahrt, und sie wurde von Gott den Guten Menschen
bis zum jetzigen Augenblick weitergereicht, und so wird es sein bis zum Ende
der Welt.«
    Clara kniete sich neben der Bank nieder, als der Zeitpunkt der
Übertragung des Geistes gekommen war. Jetzt wird Felizian das
Johannesevangelium auf den Kopf gelegt, dachte sie, jetzt ist er ein Perfectus.
    Aufgeschreckt durch eilige Schritte auf der Treppe, erhob sie sich
rasch. Ein junger Mann mit dunklem widerspenstigem Borstenhaar und vor
Anstrengung knallrotem Gesicht blieb vor ihr stehen.
    »Wo ist der Vicomte?«, fragte er ohne jegliche Begrüßung.
    »Fort«, gab Clara knapp zurück. Wer es eilig hatte, durfte deswegen
nicht gleich seine Manieren vergessen.
    Etienne musterte die Frau vor ihm. Sie war schön und hatte hellgraue
Augen. Ein paar schwarze Haarsträhnen lugten unter dem dunklen Kopftuch hervor.
Sollte er wirklich so viel Glück haben?
    »Frau Clara?«, fragte er unsicher.

  5  
Tod
    Alsbald stellten sich aus fernen Dörfern und großen Städten
Verehrer ein, die dem Geruch der Heiligkeit als seelisch oder körperlich Kranke
nachgingen. Sie rührten ihn an und küssten seine Füße. Dann sagte er ihnen nur
ein einziges Wort, das sie vergessen hatten: Liebe, Eintracht, Demut,
Hoffnung, Armut.
    Nikos Kazantzakis, »Mein Franz von Assisi«
     
     
    In dieser Zeit wurden viele Häresievergehen von
Verstorbenen aufgedeckt. […] Adlige und adlige Damen und einige andere wurden
durch Urteile verdammt, exhumiert und auf beschämende Art und Weise von den
Friedhöfen der Städte durch die genannten Mönche in Anwesenheit des
Stellvertreters und der Bevölkerung geholt: Ihre Knochen und ihre stinkenden
Leichen wurden durch die Stadt geschleppt, beim Namen genannt und laut bekannt
gemacht von der Stimme eines öffentlichen Ausrufers, der sagte: »Wer es so
machen wird, wird so enden.« Schließlich wurden sie auf der Wiese des Grafen
verbrannt. […] Man verurteilte also Tote, weil sie zum Zeitpunkt ihres Todes
Häretiker gewesen waren.
    Aus der Chronik des Guillaime Pelhisso, 1234

 
    B lanka konnte es nicht fassen, dass sie im Lateranpalast
nicht vorgelassen wurde. Seit drei Wochen hielt sie sich bereits in Rom auf,
aber der Heilige Vater wollte sie nicht empfangen. Immer wieder war sie höflich
abgewiesen worden, selbst nachdem sie den in ihr Pilgerkleid eingenähten
Siegelring der Königin vorgewiesen hatte. Brief um Brief hatte sie verfasst,
Papst Honorius versichert, sie sei die Königin Frankreichs höchstselbst, er möge nur Kardinal Frangipani befragen,
der kenne sie persönlich. Die Antwort war immer wieder die gleiche:
Die edle Königin Blanka befinde sich im Cité-Palast von Paris und leide unter
schlechter Gesundheit; das habe der Kardinal, der sich dort befinde, bestätigt;
die Pilgerin solle endlich aufhören, die Wachen zu belästigen, andernfalls
würde man ihr wegen Majestätsbeleidigung den Prozess machen.
    Blanka hätte am liebsten Lisette verflucht, ohne deren Einsatz diese seltsame Pilgerreise allerdings nie
möglich gewesen wäre. Sie begriff, wie wenig wahrscheinlich es klang,
dass Frankreichs Königin von Gottes Gnaden unangekündigt und mit einem
winzigen, zudem noch abgerissen gekleideten Gefolge in Rom sein sollte,

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