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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Kopf, Theobald«, schalt sie. Ihre
Bronzeaugen leuchteten.
    »Dem König geht es vorzüglich?«, wiederholte Theobald vorsichtig
fragend. Ludwigs Namenstag war schon vor Wochen verstrichen. Hatte der
Mundschenk versagt oder das Gift nicht gewirkt? Wie alt war Blankas
Nachricht?
    Clara hörte die Ungläubigkeit aus Theobalds Stimme heraus. Sie
ballte die Fäuste so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Er hat nicht
gelogen. Er weiß etwas Böses, da bin ich mir sicher. Und er klingt und sieht
aus, als stecke er dahinter. Was ist in Avignon wirklich geschehen? Warum hat
er den König verlassen?
    »Wie schön, Blanka, dass du Nachricht hast«, brachte sie hervor.
    »Ja, dank einem deiner Männer, Theobald. Er ist dir nicht
davongelaufen, wie du geglaubt hast, sondern ich habe ihn schon in Assisi
losgesandt – als er dahinterkam, wer ich wirklich bin.« Blanka ließ sich auf
die Bank fallen und fächerte sich mit den Fingern Luft zu, als sei sie wie nach
einem langen Ritt erschöpft. »Ohne Nachricht zu sein war mir schier
unerträglich. Und jetzt ist dein Mann wieder da, Theobald, mit einer
großartigen Botschaft! Oh, was ist mir das Herz jetzt leicht!«
    »Dem König geht es ausgezeichnet«, wiederholte Clara tonlos.
    »Und mir auch!«, rief Blanka. »Dieser Kreuzzug ist zu Ende, meine
Kinder. Ludwig kommt heim! Welch eine große Freude, welch eine Gnade! Wir
werden ihm entgegenziehen. Auf der Stelle!«
    »Mit Verlaub«, entgegnete Theobald steif, »als Pilgerin?«
    Blanka sah an sich herab, zupfte an einem Ärmel ihres grob gewebten
dunklen Pilgergewands und stieß einen Seufzer aus.
    »Du hast recht, Theobald, das ist jetzt wahrhaft ärgerlich. Was tun
wir da?«
    Clara hörte auf, an ihrer Unterlippe zu nagen.
    »Wir kehren so schnell wie möglich nach Paris zurück, und von da aus
wirst du in aller Form mit deinen Kindern wieder gen Süden aufbrechen und ihm
entgegenreiten«, schlug sie vor. »Wir könnten in einer Woche daheim sein.«
    »In vier Tagen«, sagte Blanka bestimmt.
    Sie drängte zur Eile, bestand darauf, noch in der Nacht weiterzureiten,
und ließ sich nicht umstimmen. Während die Männer Fackeln besorgten und den
Aufbruch vorbereiteten, wanderte Clara voller böser Vorahnungen unruhig durch
den Kreuzgang des Klosters.
    Eine Nonne kam ihr entgegen. Sie trug kein Kreuz auf der Brust, und
ihr Gesicht kam Clara seltsam vertraut vor. Aus einer Eingebung heraus ließ sie
sich auf die Knie nieder, beugte sich dreimal zur Erde und flüsterte auf
Französisch: »Gute Christin, gebt mir den Segen Gottes und Euren Segen; betet
für mich.«
    Die Nonne war bei den ersten Worten zurückgewichen. Dann entgegnete
sie in derselben Sprache mit dem Akzent des Südens: »Nehmt sie von Gott und
von uns. Gott möge Euch zu einem guten Ende führen und eine gute Christin aus
Euch machen.«
    Clara erhob sich wie eine Traumwandlerin. Sie wusste, dass viele
Katharer in katholischen Klöstern Zuflucht fanden, hatte aber nie zu hoffen
gewagt, dort tatsächlich einer Perfecta zu begegnen, die ihr, wie soeben
geschehen, das Melioramentum erteilen würde, ein Ritual, das die Verbindung zum
Heiligen Geist versinnbildlichte. Welch eine Gnade, sich vor einer Perfecta
verneigen zu dürfen. Woher aber kam der Eindruck von einer größeren
Vertrautheit als nur der des gemeinsamen Glaubens?
    Clara stieß einen tiefen Seufzer aus. Erstmals seit ihrer Wandlung
zur Credens wünschte sie, eine Beichte ablegen zu können. Aber Beichten war den
Perfecti vorbehalten. Der schlichte Glaubende war nicht zur Einhaltung der
Gebote verpflichtet. Und doch wünschte Clara so sehr, ihr Herz zu erleichtern,
ihre Schuld am Tod Felizians und an vielem anderen auch zu büßen.
    Die falsche Nonne las die Verzweiflung in Claras Gesicht und lud sie
in ihre winzige Zelle ein. Hier hing kein Kreuz.
    »Sprich, meine Tochter«, sagte die Perfecta, »ich sehe doch, wie
sehr dich etwas bedrückt.«
    Clara nickte. Sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte.
    »Ich heiße Clara«, setzte sie
an, »und bin die Tochter des Grafen von Toulouse …« Sie machte eine lange
Pause, versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, gab auf und ließ dann alles so aus
sich heraussprudeln, wie es ihr eben in den Sinn kam. »Und so bitte ich Euch um
Rat«, schloss sie ihre Ausführungen ab.
    Die Perfecta bewegte stumm ihre Lippen, brachte aber lange Zeit kein
Wort hervor. Aus tief traurigen hellen Augen blickte sie unverwandt auf das
Gesicht Claras. Dieser erschien, als halte die

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