Die Kathedrale der Ketzerin
ins Gesicht schüttete.
»Wo bin ich?«, stieß er hervor, öffnete die Augen und blickte sich
in der kargen Mönchszelle um. Das Paradies hatte er sich anders vorgestellt.
»In Sicherheit, Herr«, versetzte der Ritter. »Die Frau Königin hat
Euch eine böse Wunde zugefügt, aber seid unbesorgt, Ihr werdet leben.«
»Ach, streckte mich die Wunde hin, die mir verlieh die Königin«,
summte Theobald und korrigierte sich rasch: »Kein süß’ren Tod verlangt mein Sinn als durch den Dolch der Königin.«
Der Ritter nickte erfreut. Der Graf von Champagne war ganz
offensichtlich wieder Herr seiner Sinne. Abrupt setzte sich Theobald auf.
»Wo ist sie?«
»Weitergeritten.«
»Allein?«, kam seine entsetzte Frage.
»Mit ihrem Gefolge.«
»Was für einem Gefolge! Etwa nur Clara und die beiden Alten?
Keiner von euch ist auf den Gedanken gekommen, sie zu begleiten?«
»Dazu hatten wir keinen Auftrag. Wir haben uns um Euch gekümmert.«
Theobald sprang auf und fasste sich an den verbundenen Hals.
»Den Auftrag erteile ich euch jetzt! Seid ihr alle wahnsinnig
geworden? Die Königin von Frankreich unbeschützt durchs wilde Land reiten zu
lassen? Das jetzt voller bezahlter Waffenknechte ohne Arbeit ist, die
plündernd und marodierend durch die Gegend ziehen? Die nur darauf warten,
dass ihnen schöne Frauen in die Hände fallen? Auf, auf!«
»Es ist dunkel.«
»Holt Fackeln. Augenblicklich!«
Doch es war zu spät. Die beiden alten und erschöpften
Männer waren eine leichte Beute für die Angreifer. Noch im Schlaf wurden sie
von den dunklen Gestalten niedergestochen.
»Lauf, Blanka, lauf!«, rief Clara, der bei diesen Worten ein
weiterer Schauer über den Rücken lief. Sie riss das Messer, das wenig zuvor
Theobalds Hals geritzt hatte, aus der Rocktasche.
»Schaut an, Frauen!«, hörte Clara einen erfreuten Ruf unmittelbar
hinter sich. Mit der Messerhand holte sie schwungvoll nach hinten aus. Und
erschrak entsetzlich, als die Klinge tief in einem Körper stecken blieb. Sie
wirbelte herum. Der Mann war auf die Knie gefallen und hielt sich die Seite.
Ohne sich zu besinnen, riss ihm Clara das Messer aus dem Leib, als schon ein
anderer Mann auf sie zustürzte. Aus den Augenwinkeln sah Clara, wie der dritte
Blanka packte, ihr Kleid nach oben schob und
nach dem Schlitz in seiner knöchellangen Tunika fahndete.
»Eine Tigerin, was?«, knurrte Claras zweiter Angreifer und
versuchte, die Frau mit dem blutigen Messer seitlich anzuspringen. Doch wieder
war Clara schneller. Sie traf den Mann irgendwo am Schädel. Brüllend ließ er
von ihr ab und hielt sich den Kopf. Aus einem Auge strömte Blut.
Der andere Mann, der sich schon über Blanka beugte, sah sich um und
fiel dann mit seinem ganzen Gewicht auf die Königin. In seinem Rücken stak das
Messer.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Männern war er sofort tot. Clara
sank zusammen und starrte entgeistert auf ihre beiden Angreifer, die wimmernd
ein paar Fußbreit von ihr entfernt auf dem Boden lagen.
»Wir müssen ihnen helfen«, wollte sie sagen, aber jegliche Kraft war
aus ihrem Körper gewichen. Sie sah sich nicht in der Lage, aufzustehen oder nur
einen Fuß zu bewegen.
Blanka kroch unter dem toten Mann hervor, erhob sich, schüttelte den
Staub von ihrem Pilgerkleid und strich es glatt.
Im fahlen Licht des Mondes sah sie die beiden anderen sich windenden
Gestalten auf dem Erdboden.
»Clara«, flüsterte sie fast ehrfürchtig, »was du doch für eine
Heldin bist!«
»Hilf ihnen, Blanka«, flüsterte Clara.
»Aber natürlich«, erwiderte Blanka. Mit einem Ruck zog sie das
Messer aus dem Rücken des Mannes, der von Clara daran gehindert worden war, sie
zu vergewaltigen, und beugte sich zu dem Angreifer hinab, der sich nahe Clara
auf dem Erdboden wälzte.
»Erledigt«, sagte die Königin und schritt zu dem anderen, der sich
leise röchelnd an einen dünnen Baumstamm klammerte.
Dann war Totenstille.
»Was hast du mit ihnen gemacht?«, fragte Clara, die sich immer
noch nicht zu rühren vermochte.
»Das, was ich bei Theobald nur angedeutet habe«, erwiderte Blanka.
»Komm, Clara, lass uns schnell diesen bösen Ort verlassen!«
»Und die Toten?«
Clara deutete auf die beiden alten Männer, die nicht in Assisi
zurückgeblieben waren.
»Sie haben sich gewiss wacker gewehrt, aber jetzt sind sie in Gottes
Hand. Wir können nichts mehr für sie tun«, erklärte Blanka.
»Wir dürfen sie doch nicht einfach hier liegen lassen. Auch die
anderen nicht.«
»Und wie willst
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