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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Wir mussten leider noch eine Reihe weiterer Menschen
einweihen, um Schlimmeres zu verhindern. Gott sei Dank ist jetzt alles vorbei.«
    Während sie sich auskleidete, blickte sie verzagt auf den Haufen
dunklen Stoffs, den Blanka abgelegt hatte, sank aber augenblicklich auf die
Knie, als die Königin die steile Böschung des Bachs in vollkommener weißer
Nacktheit erklommen hatte.
    »Du hast vortreffliche Arbeit geleistet, Lisette«, lobte Blanka und
reichte ihr die Hand, »und nein, du brauchst dich nicht in mein verdrecktes
Pilgerkleid zu zwängen.«
    Sie schlug Clara vor, zum Zug zurückzukehren und ein schlichtes
Gewand aus dem Gepäck der Königin für Lisette auszusuchen. Sie solle künftig
als eine ihrer Hofdamen mitreiten, müsse aber augenblicklich etwas an ihrer
Erscheinung ändern, damit die Ähnlichkeit zur wahren Königin nicht auffalle.
    »Und was sollen wir da machen?«, fragte Clara ratlos.
    »Wir können ihr schließlich die Ähnlichkeit nicht aus dem Gesicht
schneiden«, sagte sie schnell, als sie Blanka das Messer betrachten sah, mit
dem Clara die Angreifer niedergestreckt hatte.
    »Ja, das geht wohl nicht«, gab Blanka zu und verstaute die Waffe in
einer verborgenen Tasche des königlichen Gewandes, das eigentlich dafür gedacht
war, einen kleinen Spiegel und gewisse Schönheitsutensilien zu beherbergen.
»Ich werde mich künftig gegen jedweden Angriff selbst schützen können«, sagte
sie. »Das ist auch eine Form von Freiheit.«
    Clara dachte anders darüber. Nie wieder wollte sie ein Messer bei
sich tragen. Sie, die seit Jahren keine Fliege mehr totschlug, um Kleinsttiere
bangte, die sie unter ihren Füßen zertreten könnte, und Maden aus dem Mehl las,
um sie zu retten, sie, Clara, hatte den Tod dreier Menschen verschuldet. Wie
sollte sie je zu einer Perfecta werden können?
    Lisettes Augen hatten sich angstvoll geweitet.
    »Du hast deine Aufgabe erledigt«, sagte Blanka ungeduldig und wandte
sich an Clara. »Ich kann nicht plötzlich eine neue Hofdame haben, die mir
derartig ähnlich ist. Was schlägst du vor?«
    In Claras Kopf formte sich ein Gedanke. Theobald war zwar bewusstlos
gewesen, aber nicht schwer verletzt. Er verehrte Blanka, und er liebte sie,
Clara. Niemals würde er zulassen, dass sie, die beiden schutzlosen Frauen, die
sein Leben bestimmten, nur mit zwei alten Männern als Begleitung durchs Land
ritten. Sobald er wieder bei Bewusstsein war, würde er ihrem Weg folgen, dessen
war sie sich gewiss.
    »Schick sie mit den Leuten, die um Lisette wissen, dem Grafen von
Champagne entgegen«, schlug sie vor. »Der wird uns längst wieder auf der Spur
sein und ist gewiss schon in der Nähe.«
    »Theobald?«, fragte Blanka ungläubig. »Der ist doch halb tot. Und
nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist, wird er es nicht wagen, sich uns
jemals wieder zu nähern.«
    »Ich kenne ihn«, versicherte Clara. »Er ist jetzt auf dem Weg und
wird sich Lisettes annehmen.«
    »Wenn du meinst«, erwiderte Blanka ungeduldig, »dann richte es ein.«
    Sie wollte nicht länger über die Frau eines Steinmetzes nachdenken,
sondern ihre schmerzlich vermissten Kinder so schnell wie möglich in die Arme
schließen. Hastig kleidete sie sich an. In Ermangelung eines ihrer wertvollen
Duftstoffe zerrieb sie etwas wilden Rosmarin zwischen den Fingern und bestrich
sich damit Hals und Gesicht.
    »Los, geh, hol die Leute her, die sich um Lisette kümmern sollen,
und dann meine Kinder!«, drängte sie Clara.
    Die rührte sich immer noch nicht von der Stelle.
    Lisette war an die Böschung gegangen und blickte auf den Bach.
Erleichtert stellte sie fest, dass er zu wenig Wasser führte, als dass man sie
darin würde ertränken können. Sie hatte Todesangst. Schon wieder.
    »Du musst deinen Kindern eine vernünftige Erklärung dafür liefern,
dass du sie auf der ganzen Reise nicht sehen konntest«, sagte Clara.
    »Sehr einfach«, gab Blanka zurück. »Ich werde sagen, dass ich mich
todkrank gefühlt habe, alle Kraft aufbringen musste, um mich dem Volk zu
zeigen, und ihnen keine Angst machen wollte.«
    »Das ist gut. Dann werde ich jetzt erst einmal die Mitwisser um
Lisette zusammenrufen, auf dass sie alle in der Champagne verschwinden«,
erwiderte Clara.
    »Aber nicht meine Kammerfrau!«, rief ihr Blanka hinterher. »Die
brauche ich noch!«
    Lisette konnte ihr Glück kaum fassen, als sie mit den
beiden Frauen, die hinter ihr Geheimnis gekommen waren, sowie den eingeweihten
Männern dem Grafen von Champagne

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