Die Kathedrale der Ketzerin
schönes nacktes Weib mit
aufgelösten goldenen Haaren und vollen weißen Brüsten zwischen ihn und das
Kreuz.
Ludwig erstarrte. Wie konnte es der Teufel wagen, sich ihm in dieser
Stunde zu nähern!
»Hebe dich hinweg, Satan«, brachte er mit brüchiger Stimme hervor.
Die Frau hob die Arme, um sich das prächtig gelockte lange Blondhaar
über die Schultern zu werfen, strich sich mit einer Hand über die Brust,
entblößte mit der anderen die Scham unter dem goldenen Vlies und erklärte mit
glockenheller Stimme: »Man schickt mich, um Euch Wärme zu spenden, hoher Herr
König.«
Sie näherte sich seinem Bett, setzte sich auf den Rand, griff nach
seiner Hand und führte sie an ihren Busen. »Fühlt doch selbst, wie viel Leben
ich in mir habe, Herr König. Ihr sollt daran teilhaben, auf dass es Euch
schnell wieder besser gehe.«
Ludwig gebrach es an Kraft, die Hand zurückzuziehen, die jetzt die
helle Knospe der wohlgeformten Brust berührte.
Er starrte auf die gegenüberliegende Wand.
»Herr,« flehte er das Kruzifix an, »erlöse mich von dem Übel, Herr,
schicke dieses Weib fort, das der Satan zu mir ans Bett geführt hat …«
»Das war nicht der Satan, das war Graf Archambaud«, rief das Mädchen
empört und erhob sich. Sie ging zur Tür. »Meine Dienste dränge ich niemandem
auf!«
Sie stolzierte hinaus und riss dem auf der Schwelle wartenden Grafen
ihren Mantel aus der Hand.
»Er hält mich für den Teufel!«, rief sie, während sie ihre Blöße
seelenruhig bedeckte. »Dafür verlange ich zusätzlichen Lohn.«
»Wird dir gewährt, wird dir gewährt«, sprach Archambaud zerstreut
und trat durch die offene Tür ins Gemach des Königs.
»Hier kann ich nicht bleiben«, sagte Ludwig, »bringt mich an einen
Ort, wo mein Seelenheil nicht gefährdet ist. Die Stunden, die mir auf Erden
noch verbleiben, will ich im Gebet verbringen.« Und damit, dachte er, meine
letzten irdischen Angelegenheiten zu regeln.
Noch am Abend desselben Tages schlug der Zug des Königs auf dem Berg
Montpensier sein Lager auf. Ludwig konnte nur noch unter Mühen sprechen,
dennoch ließ er seine treusten Gefährten zu sich kommen. Inzwischen tat niemand
mehr, als könnte sich der Monarch noch erholen, auch wenn nicht auszumachen
war, welches Leiden er sich denn zugezogen hatte.
Ein altes Kräuterweib, das auf dem Montpensier vorgelassen wurde,
erklärte bündig, der König sei vergiftet worden. Er werde daran an diesem Ort
sterben, auf dem Montpensier, genau wie es der große Zauberer Merlin einst
vorhergesagt habe. »Der friedfertige Löwe wird auf dem Bauchberg in die
Ewigkeit eingehen«, zitierte sie aus zahnlosem Mund die berühmte Prophezeiung.
Eine Befragung unter allen, die für Speisezubereitung und Getränke
zuständig waren, verlief ergebnislos. Insgeheim pries der zweite Mundschenk das
schlechte Gedächtnis der Krieger, die offenbar vergessen hatten, welchen
besonderen Tropfen er dem Monarchen als Einzigem an dessen Namenstag
eingeschenkt hatte. Er verspürte einen gewaltigen Zorn auf den Grafen von Champagne, der ihn offensichtlich zu
seinem Handlanger gemacht hatte, und konnte es obendrein mit seinem
Gewissen nicht vereinbaren, den Giftmörder ungeschoren davonkommen zu lassen.
Doch um selbst nicht in Verdacht zu geraten, würde ihm nichts anderes übrig
bleiben, als behutsam ein Gerücht zu verbreiten. Noch am Abend ließ er einem
Knappen gegenüber das Wort von einem »sehr langsam wirkenden Gift« fallen, das
von einer Pflanze stamme, die vor allem auf dem Boden der demnächst zu
verwüstenden Champagne gut gedeihe. Blätter dieser unbekannten Pflanze trage
der Graf dieses Landes in einem Hanfsäckchen ständig bei sich, jederzeit
bereit, sich damit Feinde vom Halse zu schaffen.
Während Ludwigs Vasallen das Lager ihres Königs umstanden, betete
dieser laut zu Gott. Er bat um die Gnade, noch einmal seine geliebte Frau
erblicken und sich von ihr verabschieden zu dürfen.
»Unsere Herrin ist auf dem Weg und kann nicht mehr weit sein«,
versicherte der Graf von Bourbon, »haltet durch, Herr König!«
»Das liegt nicht mehr in meiner Macht«, bemerkte Ludwig. Er ließ
seine Vasallen schwören, seinen Sohn Ludwig als nächsten König anzuerkennen und
ihm treu zu dienen. Abschließend wurde eine Urkunde ausgestellt, die jeder der
anwesenden Barone mit seinem Siegel versah.
Nachdem sich Blankas Klinge über Theobalds Kehle gezogen
hatte, sprang die Königin auf ihr Pferd und stürmte die staubige Straße
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