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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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und
leichtsinnige Reden.«
    »Das scheint mir doch durchaus gottgefällig zu sein«, gab Clara zu
bedenken. »Weshalb dann werden sie verfolgt und getötet?«
    »Ach, Kind«, antwortete der Dominikaner und lächelte Clara dabei
milde an, »das hat politische Gründe, damit solltest du deinen hübschen Kopf
nicht belasten.«
    Clara hakte nach, aus echter Verzweiflung: »Ich würde es aber sehr
gern verstehen.«
    Der Inquisitor seufzte und stellte ihr eine Reihe von Gegenfragen,
die keine Frage Claras mehr zuließen: »Wer soll uns Gottes Willen verkünden,
wenn nicht der Heilige Vater, den die Ketzer nicht anerkennen? Wo könnten wir
Gott ehren, wenn wir ihm keine schönen Kirchen mehr errichteten? Womit
könnten die Gotteshäuser bezahlt werden, wenn kein Zehnt mehr abgeführt werden
würde? Wie sähe eine Gesellschaft aus, in der keiner mehr Angst vor
weltlichen Strafen hat und jeder nur das glaubt, was ihm genehm erscheint?
Wer wäre Herr, wer Knecht? Wer hat das Recht, dieses zu bestimmen? Wohin
geriete diese Welt, wenn jeder annähme, sie sei von Satan erschaffen? Was
bedeutet Freiheit, wenn keine Ordnung herrscht? Was geschieht, wenn sich
Menschen nicht mehr zum Zweck der Zeugung vermehren? Ist es Gottes Wille, die
Welt veröden zu lassen?«
    Verwundert stellte Clara fest,
dass sich ansonsten kein Kreuzritter mehr sonderlich für die Katharer zu
interessieren schien. Jedenfalls verlor niemand ein Wort über die Häretiker, zu
deren Vernichtung sie doch alle in den Süden gezogen waren, um Ablass zu
erhalten. Stattdessen wurde über die Reichtümer gesprochen, die man sich
angeeignet hatte, und die Lehen, die demnächst in Aussicht standen. Die nur der
König verleihen konnte. Oder jetzt eben die Königin. Dafür aber musste Blanka
wieder zu Sinnen kommen. Wenn sie keine vernünftigen Entscheidungen treffen
konnte, würde sie alles verlieren, überlegte Clara. Und dadurch wahrhaft frei
werden können, meldete sich in ihr ein katharischer Gedanke. Da dieser im
Umfeld der Königin nichts zu suchen hatte, schob sie ihn schnell zur Seite und
nahm Zuflucht zu harten Worten.
    »Der Mann in Rom ist schuld am Tod des Königs«, sagte sie zu Blanka.
»Ohne diesen sogenannten Kreuzzug wären meine Leute, die guten Menschen, noch
am Leben. Und dein Ludwig auch. Der Krieg hat im Auftrag deines Heiligen Vaters
die Lebenden zu Toten gemacht.«
    »Wie gut es doch diese Toten haben«, gab Blanka noch stets weinend
zurück. »Und da mich keiner zu ihnen lässt, mir alle den Weg zu Ludwig
verwehren, werde ich von nun an die Nahrung verweigern. Ich werde verhungern
wie diese seltsame Frau neulich, die vor ihrem Tod noch die Königin sehen
wollte.« Sie lehnte sich zurück, und zum ersten Mal seit der schrecklichen
Nachricht zeigte sich ein winziges Lächeln in ihren Mundwinkeln. »Bald bin ich
bei dir, mein Ludwig; niemand kann mich zwingen, Speise und Trank zu mir zu
nehmen.«
    »So wenig schätzt du die Botschaft des heiligen Franz von Assisi?«,
fragte Clara. »Oder hast du etwa vergessen, was er über dich gesagt hat? Wie
er dich angesehen, was er dir aufgetragen hat?«
    »Das weiß ich nicht mehr«, wehrte Blanka ab und barg das Gesicht in
den Händen.
    »Dann helfe ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge, Blanka. Aus
seinen blinden Augen hat er dich voller Liebe angesehen und gesagt: ›Diese
Frau wird sich wieder aufrichten und stärker denn je zuvor sein. Nicht nur für
sich, sondern vor allem für jene, die sie liebt und denen sie dient. Das ist ihr
Wesen; das ist ihre Zukunft.‹ Es ist dein Wesen, Blanka, dich wieder
aufzurichten und dich darum zu kümmern, dass dein Sohn gekrönt wird. Wenn du
den Menschen im Reich nicht dienst, wird es zusammenbrechen. Ludwigs Lebenswerk
wird vergeblich gewesen sein, und es wäre dann so, als hätte er niemals auf
Erden geweilt. Wie willst du das vor ihm verantworten, wenn du ihm dereinst im
Jenseits wieder begegnest? Wie willst du dich dafür rechtfertigen, seinen
Sohn und das Reich, das euch von Gott anvertraut wurde, im Stich gelassen zu
haben?«
    Blanka erbleichte. Ihr Tränenstrom versiegte augenblicklich. Sie
setzte sich aufrecht hin, atmete tief durch und hob gebieterisch die Hände.
    »Verschwinde!«, schrie sie Clara mit funkelnden Augen an. »Wie kannst du verdammte Ketzerin es wagen, so mit
der Königin von Gottes Gnaden zu sprechen? Geh mir aus den Augen!«
    Die Worte schmerzten, dennoch lächelte Clara, als sie aus dem
Reisewagen stieg. Blanka hatte wieder ins Reich der

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