Die Kathedrale der Ketzerin
stieß.«
Verdammter Mundschenk, dachte Theobald, und fragte sich, wem der Tropfen
aus der Champagne wohl zum Verhängnis geworden war.
»Also gut«, sagte er zu Lisette, »ihr dürft uns begleiten. Unter der
Bedingung, dass du ganz hinten reitest. Das Zerrbild eines so edlen Antlitzes
in meiner Gegenwart ist mir zuwider. Bleib mir fern.«
Er wandte sein Pferd und rief seinen Mannen zu: »Es geht nach
Hause! Auf in die Champagne, wo unsere Frauen auf uns warten!«
Agnes, dachte er, wie unerfreulich.
Unterwegs unterdrückte er den stets wieder aufkeimenden Wunsch, sich
nach dem Abglanz eines Bildes der Königin am Ende seines Zugs umzuschauen.
In der Herberge, die der Graf von Champagne mit seiner Gruppe am
folgenden Abend aufsuchte, die von außen so viel freundlicher als die letzte
ausgesehen hatte, erwartete ihn diesmal eine ganz andere Überraschung. Nicht,
dass Theobald über die rohen Bänke und Tische oder den schweren Geruch nach altem Fett erstaunt gewesen wäre. Peter von
Braine, der Graf von Bretagne, den man Mauclerc nannte, einer jener
Barone, die nach dem Tod Ludwigs die Königin verlassen hatten, speiste dort mit
seinen Mannen. Er begrüßte Theobald überaus herzlich.
»Du hast klug daran getan, dich bereits in Avignon aus dem Staub zu
machen«, beglückwünschte er ihn. »Damit hast du dir diese unselige Belagerung
von Toulouse erspart. Und das elende Gekreisch der Königin, als sie vom Tode
Ludwigs erfuhr. Mein Gott, Theobald, wir können uns doch nicht von einer
jammernden Megäre und einem kleinen Kind regieren lassen!«
Theobald sank auf die Bank dem Grafen gegenüber. Die jammernde
Megäre würde er ihm irgendwann heimzahlen, schwor er sich.
»Der König ist tot?«, fragte er unsicher.
»Ja, Theobald, wo hast du denn gesteckt? Das ganze Land spricht
über nichts anderes mehr!«
Mit Schwung schob er ihm einen
Becher Wein zu und beugte sich vor. »Ludwig ist mausetot«, flüsterte er und
setzte wie nebenbei hinzu: »Es heißt sogar, man soll ihn vergiftet haben.«
»Wer ist man?«, fragte Theobald, dem tausend Gedanken durch den
Kopf schossen, der von einem einzigen gekrönt wurde: Bin ich erst König von
Navarra, kann ich in aller Form um Blankas Hand anhalten und zudem noch
Frankreichs Herrscher werden.
Als Mauclerc daraufhin bemerkte: »Du wärst als einer der Anwärter
auf den Titel des Giftmörders sicherlich vielen willkommen …«, spürte Theobald
Schweiß auf seiner Stirn. Er flehte, die Nässe möge das dort offensichtlich
Geschriebene auslöschen.
»Habe einen üblen Ritt hinter mir«, murmelte er.
»… aber die Anklage wegen Königsmordes wird dir erspart bleiben«,
schloss Mauclerc lachend. »Du siehst also, wie viel Gutes es brachte, dass du
dich so zeitig vor Ludwigs Ableben von ihm losgesagt hast. Schließlich kann
deine Abwesenheit in der fraglichen Zeit von vielen bezeugt werden.«
Vor allem von der Königin höchstselbst, dachte Theobald und wischte
sich das feuchte Gesicht ab. Arme Blanka; wer tröstet sie jetzt? Im
Zweifelsfalle Clara. Ich muss mich gedulden. Muss ihr Zeit lassen, der wohl noch
stets verzweifelten Witwe. Die Aufgaben
werden sie überfordern, sie braucht meine Hilfe, meinen Rat, meinen
Gesang und vor allem meine unverbrüchliche Liebe. Dereinst wird mir das
Königreich von Navarra zufallen. Sollte ich vielleicht auch meinem Ohm Sancho
den Weg ins Jenseits erleichtern, um schneller als angemessener Bewerber um
Blankas Hand anzuhalten? Bevor mir ein anderer Baron zuvorkommt?
»Wie gut, dich hier anzutreffen, Theobald«, fuhr Mauclerc fort, »wir
müssen über unser künftiges Vorgehen sprechen. Über die Barone, die auf unserer
Seite gegen dieses schwache Königshaus stehen. Der Graf von Toulouse hat sich
seine Unabhängigkeit bewahrt; er schaltet und waltet in seinem Gebiet, wie er
mag – weshalb sollten wir, die wir ebenfalls hohen Geblüts sind, jetzt nicht
auch die ganze Macht in unseren Ländern innehaben? De facto üben wir sie doch
schon längst aus; der König ist doch nur noch pro forma unser Lehnsherr!« Er
hob seinen Becher und prostete Theobald zu: »Auf die Freiheit! Wir Barone
des Westens müssen uns jetzt endlich mit England verbünden. Wir dürfen uns doch
keinesfalls von einem zeternden Weib und einem Knaben vorschreiben lassen …«
Seine Stimme verebbte, er wurde leichenblass und erhob sich so
schnell, dass er mit den Knien gegen den Tisch stieß.
»Die Königin …«, flüsterte er, entsetzt zur Tür blickend. Er
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