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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Herberge. Wie konnte dieser dem
Reisezug der Königin begegnet sein und ihr höchstselbst gehuldigt haben?
    Das erfuhr er am nächsten Tag.
    Drei Männer waren vonnöten, um die Königin vom Leichnam
ihres Gemahls fortzuziehen. Erst danach bewegte sich der Trauerzug wieder gen
Norden. Ludwig sollte so rasch wie möglich in Paris an der Seite seiner Ahnen
feierlich bestattet werden.
    Doch Blanka konnte und wollte sich nicht mit dem Tod des geliebten
Mannes abfinden. Unter unablässigem Jammern und Wehklagen ließ sie den
gelehrtesten Schreiber aus des Königs Gefolge in ihren Reisewagen steigen.
Schluchzend befragte sie ihn nach der Vorgehensweise des Orpheus, dem die
Gelegenheit geboten worden war, seine Eurydike aus der Unterwelt zurückzuholen.
    »Heidnische Gesänge«, sagte der Schreiber leise und voller Mitleid,
»unser erhabener König Ludwig weilt jetzt in Gottes ewigem Reich.«
    »Dann brauche ich Menschen, die sich darin auskennen«, gab Blanka
weinend zurück und verlangte nach Clara.
    »Bring deine Leute her«, forderte sie, »die haben meinen Sohn
gerettet, jetzt sollen sie das Gleiche für meinen Gemahl tun.«
    »Auch die meisten meiner Leute sind tot«, sagte Clara hart.
Mitgefühl war der Königin reichlich entgegengebracht worden, doch das hatte
nicht vermocht, sie dem Wahnsinn ihrer Trauer, ihrem quälerischen Wehklagen zu
entreißen. Die Liebe ihrer Kinder hatte dies
ebenso wenig bewirkt wie sanfte Hinweise auf die Verantwortung, der sich
die Witwe nun schleunigst zu stellen hatte. Blanka bewegte nur zweierlei im
Kopf: den König dem Tod abzujagen oder sich diesem selbst auszuliefern. Sie
hatte sich am Vortag bereits eine Nadel in den Leib gestochen, aber kein
lebenswichtiges Organ damit getroffen. Seitdem befand sie sich unter ständiger
Bewachung.
    Clara, die sich ungezwungen zwischen den Reisenden bewegte, fiel die
zunehmende Unruhe unter weltlichen und geistlichen Autoritäten auf. Jeder
wusste, dass Blanka an der Seite ihres Gemahls mitregiert, ihn beraten und
oftmals kluge und weitsichtige Entscheidungen selbst getroffen hatte. Nie zuvor
war einer Königin so viel Macht zugestanden worden, nie zuvor hatte ein Weib so
viel Einsicht in das Geschäft des Regierens gehabt.
    Der Blanka früherer Tage hätten die Barone möglicherweise
bedenkenlos die Regierungsgeschäfte in die Hand gelegt, dem Klageweib mit
nichts als seinem minderjährigen Sohn an der Seite aber standen sie mehr als
nur skeptisch gegenüber. Wenn sogar schon im königlichen Reisezug manch ein
Baron über eine Loslösung von der Krone wisperte, war das Königshaus in Gefahr.
Und einige Edle hatten unter fadenscheinigen Vorwänden den Trauerzug bereits
verlassen.
    In Clara keimte der Gedanke auf, ein Zusammenbruch des Königreichs
käme ihrem Bruder in Toulouse und den noch lebenden Katharern zugute. Vielleicht
konnte nur ein Umsturz des Vertrauten,
Gewohnten und Bewahrten zur Freiheit der Seelen führen. Sie mochte nicht
darüber nachdenken, ob ihr nun Gott oder Satan diesen Gedanken eingegeben
hatte. Lieber beherzigte sie die Worte der alten Katharerin in Macôn, die ihr
geraten hatte, ihrem Herzen zu folgen. Und diesem stand Blanka sehr nahe.
Vielleicht sogar näher noch als der katharische Glaube, den sie, Clara, durch
den Mord an den drei Männern preisgegeben hatte. Clara betrachtete sich als
Verräterin. Und hätte es schon deshalb klaglos auf sich genommen, wenn
irgendjemand in des Königs Gefolge sie als Ketzerin dingfest gemacht hätte.
Doch nicht einmal ihre stetig dunkle Gewandung hatte bisher Anlass zu Gemunkel
gegeben, sondern wurde als praktische Reisebekleidung angesehen.
    Dass sie als enge Vertraute der
Königin außer Verdacht stand, betrachtete sie ebenfalls als Verrat an ihrem
Glauben und zieh sich der Sünde der Verlogenheit. Also fasste sie sich
ein Herz und sprach den römischen Inquisitor an, der Ludwig auf seinem Kreuzzug
begleitet hatte und der jetzt der Königin zur Seite stand. In ihrem schwarzen
Kleid baute sie sich vor ihm auf, um ihn zu fragen, woran man die Katharer denn
erkenne.
    »An ihren Sitten und ihrem Äußeren«, erwiderte der Legat des Papstes
freundlich. »Sie tragen schlichte schwarze Kleidung, lassen sich nicht auf Handelsgeschäfte ein, um Lügen, Eide
und Betrügereien zu vermeiden, sondern leben ausschließlich von ihrer Hände
Arbeit. Sie bleiben Wirtschaften und anderen Vergnügungsorten fern. Auch ihre
Sprache verrät sie, denn sie vermeiden Gemeinheiten, Verleumdungen

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