Die Kathedrale der Ketzerin
zynischen Untertons jedoch nicht
enthalten, als sie hinzusetzte: »Und an welche Autorität wirst du dich
diesbezüglich wenden, Clara?«
»Mit deiner Erlaubnis bitte ich um Abschied vom Hof«, entgegnete
Clara leise. Blankas Worte hatten ihr deutlich aufgezeigt, wie weit sie sich
von der Freundin entfernt hatte und wie wenig sie den königlichen Hof noch als
ihre Heimat betrachtete. Sie war nirgendwo mehr zu Hause, nicht einmal mehr in
ihrem Glauben. Eine unbändige Sehnsucht nach Felizian ergriff sie, nach
Geborgenheit im Kreise redlicher Menschen. Nach Aufrichtigkeit und einem Leben,
in dem der Blick vom trostlosen irdischen Dasein ins ferne Jenseits gelenkt
wurde. Nach ihren
Leuten , den Katharern.
»Ich möchte meinen Bruder Raimund in Toulouse besuchen«, sagte sie.
»Das verbiete ich dir. Viel zu gefährlich. Deine letzten beiden
Besuche hätten dich fast das Leben gekostet.«
»Ich werde mich einem Handelszug anschließen. Der Kreuzzug ist
vorbei, und Toulouse ist immer noch frei.«
Blanka schüttelte verärgert den Kopf. »Frei, frei, frei, was soll
das denn heißen? Unter dem Königshaus verliert keiner seine Freiheit, sondern
kann auf zusätzlichen Schutz rechnen!« Sie lockerte die Zügel und ritt
weiter. »Sag deinem Bruder, er täte gut daran, sich freiwillig unter unser Dach
zu begeben. Ehe wir wieder eine Expedition in den Süden schicken müssen.«
»Ich darf also gehen?«
»Erst nach Ludwigs Krönung. Du sollst dabei sein, wenn mein Sohn
seinem Vater nachfolgt.«
28. November 1226
W elch ein schönes Land mir doch gehört, dachte der Graf von Champagne, als er in
Hochstimmung auf Reims zuritt. Die bedrohlichen Wolken, die sich am
Novemberhimmel sammelten, bekümmerten ihn nicht, denn er malte sich aus, mit
welcher Freude ihn Blanka begrüßen würde, dankbar, in dieser schweren Zeit auf
ihn rechnen zu können. Niemals mehr würde sie an seiner Treue zweifeln, wenn
sie die Nachricht vernahm, die er gewissermaßen als Krönungsgeschenk für ihren
Sohn bei sich trug. Ein einzigartiger Beweis seiner Liebe und Hingebung.
Er wollte Blanka nicht nur die Verschwörungspläne und die Strategien
rebellischer Barone in allen Einzelheiten enthüllen, sondern den Aufruhr für
sie und mit ihr im Keim ersticken und alle vernichten, die sich von der Krone
lossagten.
Mauclerc sollte sich noch wundern!
»Süßeste Gebieterin, für Euch geb ich mein Leben hin«, sang er
vergnügt, »und nehme jeden ins Gebet, der Eurem Glück im Wege steht. Wir
zerschmettern die Verräter! Eure Vettern, Übeltäter, die nach Eurer Krone
greifen, werden bald an Bäumen reifen. Indes weilt meine Wenigkeit für alle
Zeit an Eurer Seit’!«
Ihn plagte kein schlechtes Gewissen gegenüber den aufständischen
Baronen, die ihn, den einstmals treusten und bedeutendsten Vasallen, der so
offensichtlich in Ungnade gefallen war, als
einen ihrer Führer betrachteten und in alle ihre Schritte gegen das
Königshaus eingeweiht hatten. Es erschien ihm als gottgesandte Fügung, dass
ausgerechnet er dazu ausersehen sein sollte, Blankas Krone zu retten.
Seine Bewunderung für die Königin hatte sich in den vergangenen
Tagen ins Unermessliche gesteigert. Er konnte sich kein anderes Lebewesen
vorstellen, das so schnell von der Schwelle des Todes wieder in die Hast des
Lebens zurückgefunden hätte.
Seine Späher hatten ihn haarklein über alles in Kenntnis gesetzt.
Wie die Königin innerhalb nur eines Tages Verzweiflung und Reglosigkeit ihrer
tiefen Trauer abgestreift und sich mit unglaublicher Contenance und Energie
ihren vordringlichen Aufgaben gewidmet hatte, ohne in der Öffentlichkeit auch nur
eine weitere Träne zu vergießen.
Am 8. November war Ludwig der Löwe gestorben, knappe vier Tage
später war Blankas Reisezug zu dem des Königs gestoßen, nur eine Woche danach,
am 19. November, war der Monarch bereits in Saint-Denis bestattet und die Krönung
des jungen Ludwig auf den 29. November festgesetzt worden.
Doch vorher musste der Graf von Champagne Lisette loswerden. Er
genoss es, sich von der schönen jungen Frau das Lager wärmen zu lassen, und erfreute sich an ihrem Einfallsreichtum
beim Liebesspiel. Er hatte sich mit ihr nächtens in jenem verschwiegenen
Anwesen vergnügt, wo er tagsüber mit den aufständischen Baronen Pläne
schmiedete und dabei sein eigenes Süppchen kochte. Nebenbei hatte er ein paar
Boten abfangen können, die nach Albion geschickt werden
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