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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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tätschelte und streichelte sie und flüsterte ihnen zu, um sie zu beruhigen. Wenn hingegen Tomás in den Stall kam, legten die Pferde die Ohren an und drängten sich an die am weitesten entfernte Wand, während der Stallknecht sie anbrüllte. Was war nur mit dem Mann los? Bisher war er ein vorbildlicher Stallbursche gewesen, dachte Jesús, wenn er wieder einmal das Geschrei hörte.
    Jeden Morgen, wenn Vater und Sohn zur Arbeit gingen, machte sich Joanet mit Feuereifer daran, Peres Frau Mariona zu helfen. Er putzte, räumte auf und begleitete sie zum Einkaufen. Später, während sie das Essen kochte, lief er zum Strand, um Pere zu suchen. Dieser hatte sein Leben lang als Fischer gearbeitet und verdiente sich zusätzlich zu den gelegentlichen Zuwendungen seiner Zunft ein paar Münzen dazu, indem er Segel flickte. Joanet leistete ihm Gesellschaft, lauschte aufmerksam seinen Erklärungen und lief hierhin und dorthin, wenn der alte Fischer etwas brauchte.
    Und sooft er konnte, ging er seine Mutter besuchen.
    »Heute Morgen«, erzählte er ihr eines Tages, »wollte Bernat Pere die Miete bezahlen, aber Pere hat ihm einen Teil des Geldes zurückgegeben. Er hat gesagt, dass der Kleine – weißt du Mama, ›der Kleine‹ bin ich – also, er sagte, Bernat brauchte meinen Anteil nicht zu bezahlen, weil ich im Haus und am Strand helfe.«
    Die Gefangene hörte zu, ihre Hand ruhte auf dem Kopf des Kindes. Wie viel hatte sich doch verändert! Seit ihr kleiner Junge bei den Estanyols lebte, hockte er nicht mehr schluchzend dort draußen, um auf ihre stummen Liebkosungen und ein liebes Wort zu warten – eine blinde Liebe, jetzt sprach er, erzählte er, lachte er sogar!
    »Bernat hat mich umarmt«, erzählte Joanet weiter, »und Arnau hat mir auf die Schulter geklopft.«
    Die Hand schloss sich über dem Haar des Jungen.
    Und Joanet sprach weiter. Ohne Punkt und Komma. Von Arnau und Bernat, von Mariona, von Pere, dem Strand, den Fischern, den Segeln, die sie flickten, doch die Frau hörte nicht mehr zu, glücklich darüber, dass ihr Sohn endlich wusste, was eine Umarmung war. Dass ihr Kleiner endlich glücklich war.
    »Lauf, mein Junge«, unterbrach ihn seine Mutter irgendwann und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen. »Sie warten bestimmt schon auf dich.«
    Aus dem Inneren ihres Kerkers hörte Joana, wie ihr Kleiner von der Kiste hüpfte und davonlief. Sie stellte sich vor, wie er über die Mauer sprang, die sie aus ihren Erinnerungen zu verbannen versuchte.
    Welchen Sinn hatte das alles noch? Jahrelang hatte sie bei Wasser und Brot in diesen vier Wänden ausgehalten, dessen kleinsten Winkel sie Hunderte Male mit ihren Fingern abgetastet hatte. Sie hatte gegen die Einsamkeit und den Wahnsinn angekämpft, indem sie durch das winzige Fensterchen, das ihr der König, dieser großherzige Herrscher!, zugestanden hatte, den Himmel betrachtete. Sie hatte Fieber und Krankheit überstanden, und das alles nur für ihren kleinen Jungen, um ihm über den Kopf zu streichen, ihm Mut zu machen, ihm das Gefühl zu geben, dass er trotz allem nicht alleine auf der Welt war.
    Doch nun war er nicht länger allein. Bernat umarmte ihn! Bernat war wie ein Bekannter für sie. Sie hatte von ihm geträumt, während Stunden zu Ewigkeiten wurden. »Gib gut auf ihn acht, Bernat«, sagte sie ins Leere hinein. Joanet war glücklich, er lachte und rannte, und …
    Joana ließ sich zu Boden gleiten und blieb so sitzen. An diesem Tag rührte sie weder das Brot noch das Wasser an. Ihr Körper hatte kein Verlangen danach.
    Joanet kehrte anderntags wieder und auch am nächsten und am übernächsten Tag. Sie hörte ihm zu, wie er lachte und voller Hoffnung von der Welt erzählte. Durch das Fenster drangen nur mehr schwache Laute: ja, nein, geh, lauf, lebe!
    »Lauf und genieße das Leben, das du durch meine Schuld nicht gehabt hast«, flüsterte Joana noch, als der Junge schon über die Gartenmauer gesprungen war.
    Das Brot stapelte sich in Joanas Gefängnis.
    »Weißt du, was passiert ist, Mama?« Joanet schob die Kiste an die Wand und setzte sich darauf. Seine Füße reichten noch nicht bis auf den Boden. »Nein – woher solltest du das wissen?« Zusammengekauert lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, an der Stelle, wo er wusste, dass die Hand seiner Mutter nach seinem Kopf tasten würde. »Ich werde es dir erzählen. Es ist sehr lustig. Offenbar hat gestern eines von Graus Pferden …«
    Es erschien kein Arm in dem Fensterchen.
    »Mama?

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